Hallo, eine frohe Weihnachtszeit und herzliche Grüße aus Jerusalem,
nun endlich ist es soweit, dass ich mal wieder eine Rundmail schreibe, ich weiß das hat jetzt sehr lange gedauert… aber dafür gibt es eine Menge zu erzählen. Chronologisch ordnen kann ich es wahrscheinlich nicht mehr so gut, aber ich fange gestern an…. WEIHNACHTEN! Naja, ich sag es mal so, ich würde Weihnachten zu Hause JEDERZEIT vorziehen. Ich habe Heiligabend hier gar nicht als schön gefunden, hat mich schwer enttäuscht. Erst einmal war die Christmette Mitternacht überhaupt nicht schön, weil ca. 500 Juden da waren, die sich für ein christliches Fest interessiert haben und das mal sehen wollten, sich im Grunde genommen aber nicht benehmen konnten und ja eigentlich auch nicht wirklich was verstanden haben.Wir, für die die Messe ja eigentlich Sinn hatte, wurden auf die Empore verbannt, haben kaum was gesehen und waren einfach weit weg vom Geschehen.. Wahrscheinlich geht es bei den jüdischen Festen in der Synagoge (hab es bisher immer noch nicht geschafft, in eine Synagoge zu gehen) familiärer zu, denn die haben während der Messe gequatscht, es war ein ständiges Kommen und Gehen, einen hab ich sogar auf dem Boden liegen und schlafen gehen, es wurde telefoniert. War halt einfach sehr schade, denn die Messe hätte eigentlich ganz schön sein können… nun ja, aber ich wurde auch vorher schon gewarnt, die Mönche haben gesagt, wenn sie könnten, würden sie einfach woanders hingehen. Danach (nach einer kurzen Stärkung mit Kaffee und Kuchen) ging es dann auf nach Bethlehem. Und das hätte schlimmer fast nicht sein können. Es war saukalt, windig (sodass ein Schirm nichts genutzt hat) und es hat geregnet. Innerhalb einer halben Stunde waren alle nass bis auf die Knochen. Aber der Hinweg ging ja noch einigermaßen, weil wir halt gelaufen sind und uns unterhalten haben, da hat man dann irgendwann den Regen, die Müdigkeit und die Kälte nicht mehr gespürt. Gegen vier sind wir in Bethlehem am Checkpoint angekommen, da haben wir auf der anderen Seite (also von Bethlehem nach Jerusalem) eine megalange Schlange Palästinenser gesehen, die gewartet haben. Es sollte sich dann rausstellen, dass die auf unserem Rückweg immer noch da standen… na ja jedenfalls sind wir dann erst einmal in die Geburtskirche und haben uns dort erstmal ein wenig aufgewärmt. Die Laudes war dann um 5 auch nicht sooooo spektakulär, dass es sich deswegen gelohnt hätte, zumal wir dann gestanden und uns nicht mehr bewegt haben und dann hat man halt wirklich gemerkt, dass man im Grunde genommen keine Chance hat, sich gegen eine heftige Erkältung zu wehren. Ich bin während der Laudes sogar eingeschlafen, weil ich’s aufgegeben habe, das sehr schwierige dudelige Antwort-Halelujah mitzusingen und mich dann aufs Zuhören beschränken wollte. Aber dann der Rückweg…wenn man das ca. 90minütige Stehen am Checkpoint als Weg bezeichnen will. Wie gesagt, die Araber standen immer noch da.. d.h dass die schon 2 Stunden gewartet haben und es nicht sehr viel vorwärts gegangen ist. Und wir standen auch 1,5 Std… das war dann wirklich unerträglich. So durchgefroren war ich glaube ich noch nie. Und ich wundere mich da überhaupt nicht, dass die Palästinenser so einen Hass auf die Israelis haben. Es ist natürlich nicht friedensfördernd, aber ich kann es nachvollziehen. Besonders gemein und unsensibel finde ich, dass die Israelis dann natürlich extra Frauen an die Kontrollstellen setzen, die mit ihren vll. 22 Jahren kaugummikauend ihre Macht ausspielen und die Araber extra lange warten lassen. Das Verhalten von diesen übertriebenen Emanzen ist einfach unmöglich. Und wenn man sich vorstellt, dass das bei denen jeden Morgen so geht, wir hatten ja von diesem einen Mal schon die Nase gestrichen voll… na ja, es war eine Erfahrung, die ich nicht bereue, aber nicht unbedingt wieder machen möchte. Das war also Weihnachten in der Dormitio. Obwohl ich jetzt im Nachhinein denke, dass der Gang nach Bethlehem trotz der ungemütlichen Umstände (oder gerade deswegen?) doch irgendwie wertvoll war. Maria und Joseph hatten damals vielleicht auch nicht unbedingt schönes Wetter…
Ansonsten geht das Leben hier ganz normal weiter.. Vor einer Weile (ist jetzt wirklich schon ne lange Weile her..) war ich in Tabgha zum Brotvermehrungsfest, das war suuuuperschön. Tabgha ist der Ort der Brot- und Fischvermehrung in Galiläa am See Genezareth und ist eine Art Außenstelle von der Dormitio-Abtei, der Abt ist seit einer Weile auch dort. Ein wunderschöner Ort, der friedlichste und ruhigste Ort, den ich kenne. Das Gelände ist riesig und es gibt eine wunderschöne kleine Halbinsel namens Dalmanutha, auf der ein kleiner Altar und ein paar Bänke stehen, die mit einem süßen Strohdach überdeckt sind. Man kann dort ewig sitzen, über den See Genezareth schauen und die Ruhe genießen. Bezeichnung Paradies kommt dem Platz dort sehr nah. Die Kirche ist auch sehr hübsch, schlicht, aber wirkt sehr einladend und freundlich, weil sie aus hellem Stein gebaut ist. Und zum Brotvermehrungsfest war sie besonders schön geschmückt, die Messe war echt toll. Tabgha ist eine kleine Welt für sich, eine Kommune, die sich treiben lässt. Das typische für Tabgha sind aber eigentlich mehr die Tiere. Momentan gibt es 4 große Hunde und ca. 12 Welpen, die schon etwas größer sind und ca. 20 Welpen, die gerade erst die Augen aufgemacht haben. Leider mag Pater Jonas keine Hunde, sonst hätten wir bestimmt ein paar mit nach Jerusalem nehmen können. Ich hab mir auch schon meinen Lieblingshündin ausgesucht, ein Huskyweibchen=) Aber das wird wohl nichts… Also Tabgha lohnt sich wirklich. Der See Genezareth ist nur zum Baden nicht so geeignet (steinig!), man sollte ihn wohl besser ruhen lassen, da hat man mehr davon.
Auch ein Erlebnis: Wir (die Laden-Belegschaft) waren bei Issa (unser Olivenholzfigurenlieferant) zum Mittagessen bei ihm zu Hause in Bethlehem eingeladen und ich habe zum ersten Mal die arabische Gastfreundschaft in vollem Maße genossen. Wir wussten natürlich, dass das ganze nur ein Mittel war, um uns freundlicher und kauffreudiger zu stimmen, weil Issa wohl Angst hat, dass er wegen P. Matthias (neuer, mit Lieferanten strenger Ladenchef) uns als Kunden verliert, aber das ist ja egal. Die Wohnung war superkitschig eingerichtet und vollgestopft von Figuren und dekorativem Kram, aber das ist nun mal der arabische Geschmack…ich hab es geliebt, aber außerhalb von Bethlehem würde ich es als grauenvoll empfinden. Das Essen….. es gab 5 ganze Hähnchen für 7 Leute…und es sollte alles alle werden. Als man dann satt war, kam man sich unhöflich vor, wenn man nein sagt, wenn die Frau des Hauses einem noch etwas auftun will. Also am besten so viel essen wie möglich der Höflichkeit halber…so viel hab ich noch nie gegessen wie dort.
Die Vorweihnachtszeit war im Gegensatz zu Heiligabend selbst sehr schön. Es gab viele Feiern, zuerst eine Volontärsfeier im Paulushaus, der Anlass war die offizielle Begrüßung des neuen Repräsentanten des DVHLs, mir fällt gar nicht ein, wie er mit Nachnamen heißt, bei uns ist er nur Bernd=) Ein sehr netter, lustiger, junger Mann, der schon von Anfang an einen guten Draht zu den Volontären hatte. Jedenfall wurde die Feier sehr lustig, auch wenn nicht so viele da waren. Als wir (die Dormitio-Delegation) dann gehen wollten, hat Bernd uns aufgefordert, doch noch „auf eine Bierlänge“ dazubleiben. Er meinte, wenn wir dableiben, tanzt Pater Ralph (der auch dort war und wohl schon einigen Bierlängen hinter sich hatte) auch mit uns (wozu wir ihn den ganzen Abend schon bewegen wollten). Bernd selbst ist übrigens ein sehr guter Standarttänzer. Naja und da haben wir natürlich eingewilligt. Allerdings war Ralph nicht soooo begeistert, dass er auf einmal tanzen sollte und hat sich etwas geziert, aber Bernd meinte dann einfach zu mir „Nimm ihn doch einfach bei der Hand und lass ihm keine Wahl, hilft doch alles nichts“ Ja und das hab ich dann gemacht (nur als Information: ich habe an dem Abend keinen Alkohol getrunken!) und so kam es dazu, dass ich dann mit einem Mönch tanzen durfte. Obwohl „durfte“ das falsche Wort ist, weil er schon absolut Recht hatte mit der Entschuldigung, dass er nicht tanzen kann…
Dann hatten wir bei uns mit den Studenten einen Nikolausabend (an Nikolaus natürlich), wo die Studenten ein kleines Programm vorgeführt haben, das auch sehr schön war. Ja, und dann natürlich der Feuerzangenbowleabend- wird jedes Jahr vom Studienjahr organisiert. Diesmal haben die Studis das richtig als Ballabend aufgezogen, d.h. alle hatten schicke Kleider an und die Männer natürlich im Anzug. Der Film wurde natürlich gesehen und ordentlich Feuerzangenbowle getrunken. Ich würde sagen, keiner hat mehr getrunken als 3 Tassen Feuerzangenbowle, aber am Ende waren alle mehr oder weniger betrunken. Aber auf eine sehr amüsante Art und Weise. Das spektakulärste war Johannes, einer unserer Priesteramtskandidaten, der sonst nie einen Schluck Alkohol außer ein bisschen Wein trinkt und erst recht keinen Fuß auf die Tanzfläche setzt. Ein etwas steifer Typ, den man entweder total gern mag und ihn so akzeptiert, wie er ist (ziemlich verkorkst und schräg) oder überhaupt nicht. Ich hab ihn supergern, wir teilen die Liebe für alles Arabische. An dem Abend war er SEHR gut drauf. Wir haben uns die ganze Zeit beim Tanzen arabische Sätze zugebrüllt (Jeep, gebrüllt!), die uns gerade eingefallen sind und er hat sich ständig darüber beschwert, dass Martin – unser 2. Seminarist – die ganze Zeit mit Frauen tanzt, obwohl ich ihn mehrmals darauf hingewiesen habe, dass er ja auch mit mir tanzt. Also es war toll.
Was die Adventszeit auch noch zu etwas Besonderem gemacht hat, war das Plätzchenbacken mit dem Prior. Zwei Nachmittage waren wir von der Arbeit befreit (die zu der Zeit recht langweilig war, weil keine Touristen kamen), um mit Pater Jonas Plätzchen zu backen. Einmal wurden wir sogar von einem ARD-Fernsehteam gefilmt, was aber dann doch aus irgendwelchen Gründen nicht ausgestrahlt wurde. Pater Jonas passt vor die Kamera, ist ein geborener Entertainer und als ehemaliger Konditor sind richtig gute Plätzchen rausgekommen.
Das Schmücken des Weihnachtsbaumes in der Cafeteria war auch so ein Akt….eigentlich sollte ich das machen, aber Maher und Francis haben sich gedacht, sie können mir ja helfen….und die haben da alles drangeklatscht, was es gab. Der Baum war recht klein und mickrig und die haben ohne jeglichen Sinn für Harmonie alles einfach so drangehängt. Anfangs wollte ich den armen Baum retten, aber als Francis die Leiter einfach verschoben hat, während ich draufstand (arabische Schimpfwörter kenne ich schon genug und es wäre sicherlich nicht falsch gewesen, eines zu benutzen…), hab ich gesagt, sie sollen machen, was sie wollen und hab die beiden dann alleine weitermachen lassen. Allerdings mit dem Hintergedanken, dass ich am nächsten Tag alleine arbeiten und eh alles wieder ändern würde. Der Kommentar vom Prior bei der arabischen Variante der Weihnachtsbaumdekoration war: „Nunja, verbesserungswürdig.. Karoline, Sie haben die Verantwortung dafür, dass der Baum zu Weihnachten schön aussieht.“
So, was gibt es noch neues… Jack nimmt jetzt Deutschunterricht bei Johannes, obwohl er das glaube ich gar nicht will. Der Cellerar hat ihm das einfach aufgedrückt und das Kloster bezahlt ihm das auch. Find ich gemein, die könnten ja auch mir einen Arabisch-oder Hebräisch-Kurs bezahlen, ich würde ja gerne, anstatt einem faulen Bengel einen Sprachkurs zu bezahlen, der das gar nicht will.. Das ist schade, weil Jack ist ziemlich clever, der lernt das schnell, aber er ist einfach so faul. Naja, was solls. Übrigens könnte es sein, dass er bald nicht mehr bei uns arbeitet, weil seine Erlaubnis, in Jerusalem zu arbeiten (er wohnt ja in Bethlehem) am 21. Januar zu Ende geht und er keine neue bekommt. Zumindest bis jetzt nicht. Junge Männer unter 25, unverheiratet, kriegen wohl keine mehr. Das fände ich sehr schade, wenn das Kloster es nicht noch irgendwie schafft, eine für ihn zu bekommen. Obwohl ich nicht weiß, ob er die Bemühungen des Klosters, ihm zu helfen, wirklich verdient, er nimmt überhaupt nichts ernst.
Bis hierhin habe ich Weihnachten geschrieben, jetzt war ich in Jordanien 4 Tage (worüber ich aber in einer neuen Mail schreibe), d.h. das folgende ist jetzt etwas später geschrieben. Eigentlich will ich nur noch einmal kurz auf die ganze Situation hier eingehen. Wie ihr sicher wisst, herrscht hier momentan eine etwas unschöne Lage in Gaza. Aber ich kann euch soweit erstmal beruhigen, dass hier eigentlich im Grunde genommen alles seinen normalen Gang geht und ich hier in Jerusalem keine Angst haben muss. Die Dauerpräsenz der Soldaten in der Altstadt ist sowieso Alltag, das fällt schon gar nicht mehr auf. Am Anfang haben mich die Soldaten und Gewehre an jeder Ecke schon nervös gemacht, aber mittlerweile fallen sie mir gar nicht mehr auf. Man gewöhnt sich hier an alles.
Aber die Stimmung (besonders bei den Arabern) ist gerade sehr sehr schlecht und aggressiv. Die meisten arabischen Shops waren zwei Tage lang geschlossen und überall, wo ein Fernseher ist, läuft den ganzen Tag Aljazeera. Ich habe mit einigen sehr intensiv über die ganze Situation gesprochen und musste im Endeffekt feststellen, dass der einzige Punkt, in dem sich alle einig sind, die Tatsache ist, dass es in diesem Land nie Frieden geben wird. Klar sind im Augenblick die Israelis die Bösen und die Palästinenser eindeutig die Opfer, aber beide Seiten sind gleich. Die Hamas feuert seit einiger Zeit Raketen auf Israel ab, klar kommt da irgendwann mal eine Antwort. Diese ist zwar nicht unbedingt die richtige, aber was war denn zu erwarten? Und ich habe ein bisschen Angst, was passiert, wenn sich die Situation irgendwann mal ändert und die Palästinenser mal die Chance haben, sich irgendwie zu rächen. Denn dann gilt (wie selbst Maher gesagt hat, der sonst bei ernsthafteren Fragen einen recht fairen Blick für alle Seiten hat und sich nie zu irgendwelchen Hassäußerungen hinreißen lässt): „Was die Israelis uns jetzt antun, das werden wir 10000fach zurückzahlen“. Ich muss sagen, ich verstehe die Palästinenser, aber ich verstehe auch die Israelis. Wenn sich der Wind dreht, werden die Palästinenser jede Möglichkeit nutzen, die Demütigungen zurückzuzahlen, da bin ich mir sicher. Ein stolzes Volk, sowohl Juden als auch Palästinenser. Aber so geht es weiter. Der Frieden ist mehr oder weniger unmöglich, weil keiner Frieden will. Meine laienhafte Diagnose. Aber in Jerusalem ist mit Angriffen eigentlich nicht zu rechnen, denn keiner will ja seine eigenen Leute treffen und hier, wo Juden, Muslime, Christen, Israelis, Palästinenser, Araber, Ausländer auf engstem Raum zusammenleben (dieses Wunder, dass es überhaupt irgendwie geht, muss man auch mal anerkennen), ist es quasi unmöglich, für irgendjemanden, sicherzugehen, dass er die trifft, die er verwunden will.
Naja, mal sehen, wie sich das Ganze entwickelt…
So, jetzt hör ich auf, Berichte über Jordanien kommen bald.
Liebste Grüße und ein frohes neues Jahr 2009 von KARO!