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Jerusalem Rundmail 7

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Hallo ihr Lieben,

Direkte News gibt es nicht, aber doch einiges weniges zu erzählen.

Eine kleine sehr schöne Geschichte, die sich letzte Woche hier ereignet hat:

Ich habe im Laden gearbeitet, es waren ein paar Kunden da, darunter auch ein (sehr!) altes Ehepaar. Die beiden schauten sich intensivst um, auf einmal kam der Mann zu uns an die Theke, seine Frau war am Stöbern, er hat sich eins von den Herzen aus Olivenholz genommen und meinte, er möchte das gerne für seine Frau kaufen und sie mit diesem kleinen Geschenk überraschen, denn sie seien an dem Tag seit 62 Jahren verheiratet. Hat es also bezahlt und klammheimlich in der Tasche verschwinden lassen. Bisschen weitergestöbert. Kurz darauf kam seine Frau an, schaute, dass der Mann bei den Büchern beschäftigt ist und legte uns ebenfalls so ein Olivenholzherz zum Zahlen auf die Theke. Sie sagte, sie wolle ihren Mann überraschen wegen des 62. Hochzeitstags=) Der Austausch fand auch gleich danach statt, die beiden haben sich so übereinander gefreut, es war herzerwärmend. Man konnte quasi die herabfallenden Herzchen sehen. Wirklich rührend, wie sich diese beiden alten Leute die selbe Freude zum Hochzeitstag machen wollten.

Viele haben gefragt, wie sich die politische Lage hier vor Ort anfühlt. Also ein paar Worte dazu. Die Stimmung ist nicht sonderlich gut auf der arabischen Seite, logisch. Es wird viel über die Ereignisse in Gaza geredet, aber mehr ist hier nicht. Alles geht ganz normal weiter, es ist auch kein Gefühl der Unsicherheit eingetreten. Alles wie immer eben. Gaza ist für die meisten hier genauso weit entfernt wie für uns in Europa. Von der katastrophalen Lage dort schwappt nichts bis hierher nach Jerusalem, auch nichts nach Galiläa. Das Land ist superklein, aber jeder Teil kämpft wohl doch für sich…

Nun noch ein kleiner Absatz zum „geistlichen“ Lebensgefühl. Es gibt viele, die die Reise hierher und den Aufenthalt hier als Pilgerreise verstehen, die Heiligen Stätten verehren und jeden Stein Jerusalems als Gottesgnade betrachten. Die Dormitio Abtei ist nicht so abgefahren, als Benediktinerkloster schon gar nicht, aber das Umfeld ist manchmal schon heftig. Der Umstand, dass man hier überall mit Religion und Glaube in der unnachgiebigsten Form konfrontiert wird, ist manchmal eher abstoßend. Trotzdem muss ich sagen, dass das Leben hier im Kloster mir sehr gut tut und mich sehr berührt. Die Suche nach dem eigenen Glauben ist nicht leicht, aber langsam zeichnen sich Wege ab, ohne sich aufzudrängen. Ich finde sehr gut, dass ich hier alle Möglichkeiten habe, herauszufinden, ob und welchen Stellenwert Glauben in meinem Leben hat, aber niemand und nichts drängt sich auf. Es ist, als würde Gott auf seinem himmlischen Thron sitzen und mir halb belustigt, halb gerührt zuschauen, wie ich in einem Irrgarten (in dem er mich gestellt hat) versuche, den Weg zu finden, wobei er weiß, dass alle Wege sowieso auf das richtige Ziel zusteuern. Und ich beginne es zu ahnen;-) Klingt alles ein wenig mystisch, aber es handelt sich ja auch um Mysterien, die zu ergründen sind. Und es ist wirklich sehr schön und spannend, hier zu sein, denn einen besseren Ort dafür kann ich mir gar nicht vorstellen.

Damit ist diese Mail mal nicht so lang geworden, seid mir nicht böse, aber bevor ihr gar nichts hört…

In dem Sinne

Liebe Grüße von

Eurer Karo

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