Mit Tanzeinlagen präsentierter Text von C.H. Cortés in der Roten Bar des Volkstheater.
Handlung
Viel Handlung gibt es nicht zu erzählen. Die Grundlage dieser Performance bietet der poetische Text des Lateinamerikaners/Spaniers C.H. Cortés. Der Text handelt vom Traum eines Mann namens Orlando und ist wie eine Art Zwiegespräch zwischen Orlando und Aspasia gestaltet. Sie fordern sich gegenseitig auf, an einer Art “Bankett der Wolllust” teilzunehmen und sexuelle Fantasien auszuleben, die besonders mit der Kirche und sakraler Sprache verbunden zu sein scheinen. Rezitation des Textes wechselt sich ab mit Tango-Einlagen der “Raúl Macías Tanztheater Company” und Modernem Tanz des Künstlers Julio Lepe, der sich vom Ministranten in einen Striptease- Tänzer verwandelt.
Kritik
Erste Szene: Ein Mann mit weißbemaltem Gesicht, roten Lippen und einem langen Ministrantengewand tritt auf und schwenkt andachtsvoll Weihrauch durch den Raum. Mit beginnender Musik fängt er an, sich auszuziehen und zeigt sein Lackhemdchen und knappe Ledershorts (die dann auch noch kürzer werden) in lasziv-erotischem Tanz. Kein Wunder, dass die Veranstaltung erst um 22Uhr und in der Bar des Volkstheaters stattfand. Es ging ähnlich skurril weiter. Der Text, um den es eigentlich ging, wurde abwechselnd von einer Frau und einem Mann vorgelesen. Wohlgemerkt, vorgelesen. Auch wenn die Darsteller mit ihren Masken, griechisch-anmutenden Kostümen und bedeutungsvollen Gesten versucht haben, Dramatik aufzubauen, hätte es wesentlich mehr Eindruck gemacht, wenn der Text frei rezitiert worden wäre. Ich denke, man kann schon erwarten, dass Schauspieler für eine Bühne ihren Text auswendig lernen.
Der Mann war spanischer Muttersprachler, seinen Textpart verstand man so gut wie gar nicht. Er selbst hat ihn anscheinend auch nicht wirklich verstanden, denn er schien nicht zu wissen, wann wo ein Gedanke oder sein Leseanteil zu Ende ist. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass dieser Mann der Autor des Textes selbst ist, ein gewisser C.H. Cortés. Ich vermute aber, das Stück wurde auf Spanisch verfasst… zumindest hoffe ich es.
Nebst Julio Lepe als Ministrant/Erotikum wurden die Textpassagen außerdem von der “Raúl Macías Tanztheater Company” unterbrochen. Alles drehte sich um Raúl Macías, in dem Fall vier Tango-Damen in aufreizenden Kostümchen. Raúl Macías ist ein Mann, genau wie ich mir einen spanischen Tango-Tänzer vorstelle. Ein bisschen pummelig, ein bisschen klein, ein bisschen mürrisch im Gesicht, ein bisschen lüstern, aber stark, stolz und sehr selbstbewusst. ¡Hola, Señorita! Ich muss zugeben, dass sein kleiner Flirt mit mir auf dem Weg zur Bühne sehr schmeichelnd war.
Die Tangonummern waren wirklich sehr gut, mit einigen waghalsigen Posen, da gehört schon einiges Können dazu. Ein bisschen viel Cliché, aber auch ein bisschen zusätzliches Theater zum Tanz. Das hat mir gut gefallen, denn Tango ist meiner Ansicht nach wirklich nicht nur ein Tanz, er erzählt immer eine Geschichte. Und da hat sich Raúl mit seinen Mädels ganz gut was überlegt.
Zurück nochmal zum Text, dem man zur Hälfte nur sehr schwer folgen konnte. Mich erinnerte das ein wenig an das Thema meiner Bachelorarbeit – Muǧūn, das ist eine ziemlich schamlose und oft obszöne Literaturform aus dem arabischen Mittelalter. So ähnlich war das auch bei dem Text von Cortés. Es war von “vaginalen Kelchen”, “phallischen Kerzenleuchtern” und “wollüstigen Pfaffen” sowie diversen Körperflüssigkeiten die Rede, diese Beispiele fallen mir jetzt noch ein. Ich war ein wenig an das Hohelied der Liebe erinnert, natürlich als farcierte Variante, allerdings glaube ich nicht, dass das gewollt war. Zwischendurch auch mal sehr melancholisch-surreal, aber die Kernaussage war im Grunde genommen: Gib Dich Deiner Sehnsucht und Deinen sexuellen Phantasien hin und zwar den düsteren. Orlando, auf zum Bankett der Wollust! Für echte Kirchen- oder Gesellschaftskritik gab es zu wenig Inhalt, aber es wurde immer wieder, tlw. auch in seltsamen Kombinationen auf die Kirche Bezug genommen: “Litaneipulver unter Deinem Fuß”
Übrigens hatte man im Hintergrund groß ein Screen an die Wand gebeamt, von dem man erwarten konnte, dass da auch noch ein medialer Beitrag abgespielt wurde. Passierte aber nichts, der Vorhang davor wurde immer mal wieder auf- und zugezogen, hin und wieder ging der Bildschirmschoner an, man sah den Desktop mit einem Skype-Anruf in Abwesenheit und über tausend ungelesenen Mails. Weiß nicht, ob da was geplant war und nur nicht durchgeführt wurde oder ob das auch einen ganz besonderen Sinn hat, den ich nicht verstehe.
Einen wirklich Sinn konnte ich generell nicht ausmachen, das Ganze war ein kleines Feuerwerk der Skurrilitäten. Das Beste daran waren die Tangonummern, das Skurrilste Julio Lepe mit seinen Tanzeinlagen. Ich weiß nicht, was ich von dem Abend halten soll. Falls es ein Versuch war, das Blut der Zuschauer zum Wallen zu bringen – fehlgeschlagen, ich musste mir sehr oft das Lachen verkneifen. Ganz, ganz schräge Sache.
Randnotiz
Auch ein ganz feiner “Tango”:
2cl dry Vermouth + 1cl sweet Vermouth + 3cl Gin + ein Spritzer Triple Sec + 1/2cl Orangensaft = ein Glas Tango