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Das Konzert

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Österreichische Komödie von Hermann Bahr am Akademietheater, Richard Strauß gewidmet.

Handlung

Der berühmte und umschwärmte Pianist Gustav Heink betrügt seine Ehefrau regelmäßig. Er fährt mit seinen Affären auf eine einsame Waldhütte und erzählt seiner Frau Marie sowie seinen Schülerinnen, die allesamt in ihn verknallt sind, dass er auf ein privates Konzert fahre. Eines Tages nun kommt eine der Schülerinnen dahinter, dass Gustav Heink eben nicht bei einem Konzert, sondern sich mit Frau Delfine Jura in besagter Waldhütte vergnügt und benachrichtigt in ihrer Empörung sowohl den Ehemann Dr. Franz Jura als auch Gustav Heinks Frau Marie, die zwar längst über das eigentliche Ziel der sogenannten Konzerte Bescheid weiß, es aber bislang stillschweigend ertrug.

Kurz darauf besucht Franz Jura Marie und die beiden betrogenen Ehepartner führen ein längeres Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass beide mit hohem Intellekt und einem kühlen Kopf gesegnet sind. Dr. Jura vertritt eine recht unkonventionelle Einstellung, er ist bereit, seine Frau gehen zu lassen, wenn der andere Mann ihr Glück sein sollte. Marie jedoch möchte um ihren Mann kämpfen. Dr. Jura überredet sie, zur Hütte zu fahren und sich als frisches Liebespaar auszugeben. Er meint, er würde sich damit die umständliche Suche nach einer neuen Frau sparen, wohingegen Marie vor allem ihren Mann damit zur Besinnung bringen will, wenn er sieht, dass sie nicht weiter brav daheim auf ihn wartet, während er sich anderweitig vergnügt.

Marie: Denn solange der Mann noch das Gefühl hat, die Frau sitzt verlassen und trauert nach ihm und wartet, ob er nicht doch vielleicht wieder zu ihr zurückkehren wird, das ist ein so angenehmes Gefühl für einen Mann, daß es noch gar nichts beweist, wenn er sich zunächst zur anderen entschließt.

Die beiden tauchen in der Berghütte auf, überraschen Gustav und Delfine Jura und bringen die beiden durch ihre lockere und gutwillige Art völlig aus der Fassung.

Jura: Sie lieben meine Frau. Aber vor ihr haben Sie doch schon andere geliebt?
Heink (brüllend): Ja.
Jura: Da müssten Sie danach doch ungefähr berechnen können, wie lang das bei Ihnen zu dauern pflegt.
Heink (brüllend): Nein.
Jura: Das wundert mich. Mit Ihren Erfahrungen würde ich das berechnen können.
Heink (kurz): Ich nicht. Ich liebe Delfine heute. Ob ich sie morgen noch liebe, weiß ich nicht.
Jura: Das wird ihr aber halt nicht genügen.
Delfine (trotzig, stolz): Mir genügt es. Denn ich weiß es.
Jura (warnend, langsam, ihr mit dem Zeigefinger drohend): No, Delfindl, überleg dir das gut!

Marie und Dr. Jura stellen einen “Partnertausch” schon als beschlossene Sache dar und überfordern besonders Gustav Heink, der in der jungen, albernen Delfine nichts weiter als eine Bettgeschichte gesehen hat, sie auf einmal statt seiner klugen Frau als seine Lebenspartnerin behalten soll.

Marie erzählt Delfine Jura von dem anstrengenden Leben an der Seite des berühmten Pianisten Gustav Heink und erreicht letztendlich, dass diese wieder lieber zu ihrem Mann zurück will. Gustav selbst gibt sich nicht so leicht geschlagen, er ist höchst unwillig, mit seiner Frau das Problem zu bereden, da ja solange alles gut gelaufen sei und sie sich noch nie beschwert habe. Letztendlich verspricht er zwar, sich nicht mehr auf neue Affären einzulassen, es bleibt aber offen, inwiefern er imstande ist, dieses Versprechen einzuhalten.

Kritik

Komödien haben es bei mir ja nicht leicht. Besonders aus Österreich erwarte ich dann so einen Schwank, der einem ein paar müde Lacher entlockt, aber viel mehr Augenrollen. Liest man die Handlung, denkt man an einen seichten Spaß, an ein Ehedrama, mit Witz am Ende aufgelöst. Das Konzert hat mich aber ganz wunderbar überrascht. Die Komik war klug und nie albern und entstand eher durch sinnvolle Dialoge als durch Slapstick. Zwar ist der Humor schon ein wienerischer, aber sehr fein geschliffen und der Bühne des Burgtheaters auf jeden Fall würdig. Auf eine Art wirkt das Stück nach – man denkt tatsächlich darüber nach, welche Moral nun am Ende der Geschichte steht und ob der Verlauf vielleicht tatsächlich etwas über die Natur des Menschen aussagt. Für eine Komödie finde ich das erstaunlich.

Jura: Nämlich die ganze Zeit schon, seit ich mir überlege, meine Frau freizugeben, wenn sie wirklich mit einem anderen glücklicher wird, habe ich mir immer gedacht, daß ich mich dann doch auch umschauen will, möglichst bald wieder zu heiraten. (…) Das Leben mit einer Frau ist doch etwas Wunderschönes. Und ich weiß nicht, ob es eigentlich dabei gar so sehr darauf ankommt, mit welcher Frau!

Das Stück lebt von den aussagekräftigen, charismatischen Charakteren mit kluger Besetzung. Zum Einen haben wir den berühmten Pianisten Gustav Henk, dem die Frauenwelt komplett verfallen scheint.

Die Frauen, liebe Marie, sind der Erfolg. Deshalb braucht man das. Und man braucht’s doch auch für das eigene Gefühl. Ich will noch nicht alt sein.

Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, Peter Simonischek ist meines Erachtens nicht unbedingt der schönste Mann der Welt, aber er schafft es doch, diese Rolle auf der Bühne glaubhaft rüberzubringen. Gustav Henk ist ein Blender, äußerst oberflächlich-charmant und zwischendurch ziemlich ekelhaft in seinem Verhalten. Das Schlimmste ist: Er denkt, er kann gar nichts dafür und würde eher gezwungen, im Endeffekt immer wieder mit seinen Fans im Bett zu landen.

Die Dame sitzt da neben dir, erwartungsvoll…denn man hat doch seinen Ruf – was willst du tun? Du langweilst dich, ein wirkliches Gespräch ist mit unseren Damen ja nicht möglich, du kannst doch aber nicht unhöflich sein und also um nur was zu sagen, schaust du sie halt an und sagst: Sie sind ein seltsames Geschöpf! Und da bist du schon verloren. Oder du sagst: Jetzt kommt doch bald der Frühling wieder! Bist du auch verloren. Oder du sagst, in irgendeinem Zusammenhang: Goethe und die Frau von Stein –! Bist du ganz verloren. Du bist immer verloren, denn was du auch sagen magst, sie hackt ein, du natürlich auch wieder, schon aus Bequemlichkeit, denn du brauchst ja nur den Mund laufen zu lassen, und so geht’s unaufhaltsam fort und du merkst noch gar nicht, daß ihr schon mitten im Spiel seid! Da kannst du dann aber nun nicht auf einmal aufstehen und erklären: O pardon, ich hab’ ja gar nicht spielen wollen! – Sie hat ja wahrscheinlich auch gar nicht wollen, aber Gott, wenn man schon einmal so nebeneinander sitzt.

Kurz: Meine Sympathie hat er nicht, nicht einmal mein Mitleid, er verändert sich eigentlich auch kaum während der ganzen Handlung. Obwohl er am Ende die Gelegenheit auslässt, wieder eine seiner Schülerinnen flachzulegen, ist die Nachhaltigkeit seiner (T)Reue anzuzweifeln. Im Originaltext ist sogar gänzlich offen gehalten, wie er letztendlich mit der Schülerin verfährt, eher “beugt er sich seinem Schicksal” und geht auf sie ein.

An seiner Seite – auch am Ende noch – die bezaubernde Marie. Bezaubernd, denn sie präsentiert eine großartige Balance zwischen Leidenschaft und kühlem Kopf. Einerseits will sie um jeden Preis um ihren Mann kämpfen, um dessen Schwächen sie sehr genau Bescheid weiß, andererseits verbirgt sie geschickt ihre Verletztheit und versteht es, ihn letztendlich ein wenig aus der Reserve zu locken, was von Anfang an ein ganzes Stück Arbeit ist. Und noch mehr ist sie bezaubernd, weil Regina Fritsch die Rolle spielt, die seit Alpenkönig und Menschenfeind eine meiner Favoriten auf der Bühne ist. Die Vielseitigkeit in Person und noch dazu eine wunderschöne Frau. Interessanterweise steht mit ihr Alina Fritsch, ihre Tochter, auf der Bühne, wobei ich finde, dass dies die einzige nicht so gelungene Besetzung in diesem Stück ist. Sie spielt Eva, eine der verknallten Schülerinnen, die den Betrug mit dem vermeintlichen Konzert aufdeckt und am Ende nur mit einem Kuss abgespeist wird. Etwas übertrieben, etwas zuviel des Guten und etwas anstrengend.

Ansonsten haben wir noch das zweite Ehepaar. Florian Teichtmeister als Dr. Jura, ein komischer Kauz, ein Nerd, aber sehr sympathisch und ebenfalls klug.

Ja, sehen Sie, das ist mein Fehler: ich habe einen solchen Respekt vor der inneren Freiheit meines Mitmenschen, daß ich ihn selbst in seiner Dummheit nicht stören mag.

Er denkt sehr unkonventionell und spricht oft recht unverfroren aus, was ihm in den Sinn kommt. Kompletter Gegensatz zur überlegten und reservierten Marie. In diesem Stück könnte er der Publikumsliebling sein, der Charakter ist pure Energie und eine Freude für die Zuschauer. Seine Frau, Delfine oder gerne auch im österreichischen Dialekt Delfinderl genannt, ist von ähnlicher sprudelnder Ausstrahlung, allerdings kippt es bei ihr in die andere Richtung. Stefanie Dvorak ist mir auch schon aus dem Alpenkönig und Menschenfeind bekannt, da ist mir auch schon aufgefallen, dass sie ihre Rolle leicht überdreht spielt. Ebenso hier beim Konzert. Delfine Jura ist überdreht und dümmlich, eine Art naives Huhn. Ein Mann wie Gustav Henk muss nur kurzes Interesse an ihr haben können und sich nicht weiter mit ihr befassen wollen. Das hätte man sicher auch auf eine etwas weniger nervtötende Art verstanden. Aber das ist wirklich Kritik auf hohem Niveau: Delfinderl zu spielen und in Pfirsich-Kostümchen über die Bühne zu wackeln mag auch keine leichte Sache sein.

Das Konzert ist sehr dialoglastig, aber die Dialoge haben es teilweise schon in sich. Die jeweiligen Unterhaltungen spiegeln sehr gut die Beziehung der Sprecher zueinander wider und bauen einige sehr magische Momente auf. So wird im leichten Plauderton und in geistloser Koketterie zwischen Gustav Heink und seiner Affäre Delfine Jura schnell ersichtlich, dass keine tiefere Verbundenheit zwischen den beiden herrscht. Bei Marie Heink und Dr. Franz Jura liefern sich zwei sehr intelligente Menschen einen gehaltvollen Schlagabtausch und im Dialog zwischen Gustav und Marie spürt man auf hohem Niveau die eigenwillige Form ihrer Ehe und wie beide mit dem Konflikt umgehen (oder eben nicht im Falle Gustavs).

Heink (heftig): Aber will ich sie denn heiraten? Ich denke ja nicht daran!
Marie: Du denkst nur daran, mich zu betrügen.
Heink (ärgerlich, ungeduldig): Betrügen! Als ob du’s nicht immer gewußt hättest!
Marie: Jetzt aber will ich es nicht mehr. Nein, ich will es nicht mehr ertragen.
Heink (wütend): Jetzt auf einmal!

Zum Bühnenbild kann ich nur sagen: Chapeau! Fast alles aus Pappe (sogar die Hirschgeweihe in der Jagdhütte, das Klavier und die Sessel) und es sah ziemlich stylisch aus. Zwei Bühnenbilder nur, die aber ganz gut gemacht. Und viele, sogar echte Blumen, was kann man mehr wollen?

Randnotiz

Photo © Georg Soulek

In der Textfassung steht eine sehr schöne Beschreibung von Marie Henk:

Ganz schön zweiunddreißig Jahre; blond, klein, sehr zierlich; ihr Gesicht ist viel zu gescheit, um schön zu sein; ihr ganzes Wesen hat eine große Ruhe, der man nicht trauen darf; sie ist ganz unauffällig gekleidet, fast kokett einfach

Auch die von Dr. Jura ist sehr interessant und aussagekräftig, allerdings wesentlich länger und nur was für die ganz Interessierten:

Fünfundzwanzig Jahre; klein, schmächtig…

…anscheinend schwächlich; seine ganze Kraft scheint in den Kopf gedrängt, der im Verhältnis zu groß wirkt; kurze, glatte, blonde Haare, die Stirne sehr stark, große, sehr helle, sehr lustige blaue Augen, die, wenn er im Sprechen oder beim Zuhören lebhaft wird, fast herauszuhängen scheinen, mit einem fast glotzenden Ausdruck; er hält sich schief und hat die Gewohnheit, die Ellbogen an den Leib gepreßt zu halten und nur mit den Unterarmen zu agieren, wodurch er bisweilen einer Marionette nicht unähnlich ist; im Gespräch drängt er sich gern ganz an den Partner heran und hat das Bedürfnis, ihn bei der Hand zu nehmen oder an einem seiner Knöpfe zu drehen oder einen Faden aus seinem Rock zu zupfen; er ist sehr zutunlich, schmiegt sich an und hat etwas Bittendes, Schmeichelndes in seiner ganzen Art, die dabei doch immer zu verstehen gibt, daß er sich im Grund über alle Welt lustig macht, gar keinen Respekt hat und gewohnt ist, sich alles erlauben zu können; er hat allerhand seltsame Manieren, wie er denn keinen Augenblick ruhig steht, sondern immer von einem Fuß auf den anderen tanzt und, wenn er ungeduldig wird, was sein gewöhnlicher Zustand ist, mit beiden Füßen scharrt; dies gibt seinem ganzen Wesen etwas Springendes und Flackerndes, er ist wie ein Licht in der Hand eines Betrunkenen; er trägt sich so salopp, daß man ihn auf den ersten Blick für ärmlich gekleidet hält und allmählich erst mit Verwunderung entdeckt, wie teuer, wenn auch freilich ganz unmodisch, er angezogen ist, nur flattern seine Kleider wie an einer Stange; sieht er zuerst fast einem vazierenden Schauspieler gleich, so möchte man ihn dann eher für einen halten, der sich in einer lächerlichen Verkleidung gefällt; er trägt einen verdrückten, hellgrauen italienischen Schlapphut, ein weiches blaues Hemd mit einer schlecht geknüpften weißen Krawatte, einen sehr weiten Anzug aus derber Rohseide mit sehr vielen, sehr großen Taschen, in denen Zeitungen, Bücher und eine Menge Bleistifte stecken, blaue Strümpfe und gelbe Sandalen.

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