Im Allgemeinen ist das gesamte System und Regelwerk Saudi-Arabiens darauf ausgerichtet, das Männer und Frauen, die nicht verheiratet oder verwandt sind, nichts miteinander zu tun haben und sich nicht begegnen.
Zum Beispiel haben Universitäten nach Geschlechtern getrennte Bereiche, Moscheen sind getrennt zu begehen, bei beruflichen Konferenzen etc. setzen sich Frauen und Männer im Allgemeinen nicht zusammen, im Restaurant gibt es einen Männerbereich und einen Familienbereich (für Frauen und Familien).
Frage: Wie ist das mit Einkaufen, Taxifahren etc.? Antwort: Am Markt findet man schon auch weibliche Verkäufer, aber in Einkaufszentren, Supermärkten etc. sind es meistens Männer. Taxifahrer sind beinahe ausschließlich Gastarbeiter – bei denen sieht man keine Gefahr bzw. deren Ehre ist egal.
Frage: Wie lernt man Männer bzw. Frauen kennen? Antwort: Gar nicht. Oder im Internet. Da es in der echten Welt so gut wie gar nicht möglich ist, das andere Geschlecht kennenzulernen, geht man eben in die virtuelle Welt. Zwar wird Internet und Fernsehen schon staatlich kontrolliert, aber die meisten haben Mittel und Wege, diese Zensur zu umgehen. Das saudische Kontaktportal ist also das Internet. Chatrooms, soziale Netzwerke etc….
Ich hab gehört (kann das aber nicht durch eigene Beobachtungen bestätigen), dass in Saudi-Arabien genau wie in anderen sittenstrengen Gesellschaften auf besonders raffinierte Art und Weise versucht wird, Kontakte (und auch Sexualkontakte) zu knüpfen. Angeblich sind zum Beispiel Nummern auf Autos, unter denen man das Auto kaufen kann, oft nur Tarnung. In Wahrheit (und das weiß dann auch jeder) ist es der Anschluss einer Person, die andersgeschlechtliche Kontakte sucht. Das passt ganz gut zu der Tendenz, dass die Dinge, die verboten sind, häufig besonders eifrig gewollt werden.
Wie auch immer, es ist als in Saudi-Arabien lebende Person äußerst schwer, Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht zu machen. Als unverheiratete Frau bleibt man in der Familie, das Umfeld (Universität, Freundeskreis, Freizeit….) besteht dann auch aus Frauen. Als verheiratete Frau bleibt man auch hauptsächlich zu Hause. Verlässt man das Haus, dann nur mit dem eigenen Mann oder mit Freundinnen.
Ehepartner werden oft (in traditionellen Familien definitiv) von den Eltern bestimmt, bzw. wärmstens empfohlen. Wie viel Prozent das letztendlich sind, weiß ich nicht, es gibt mittlerweile aber sicherlich viele, die Ausländer heiraten (vorzugsweise Männer, die dann die Frauen mit ins Land nehmen) oder Frauen, die erstmal gar nicht heiraten oder die selbst entscheiden, wen und wann sie heiraten.
De facto geht es weniger um Liebe, man hat nicht Beziehungen, bis dann “der/die Richtige” für das ganze Leben dabei ist. Es geht darum, die erweiterte Familie zu festigen und Frauen finanzielle Sicherheit und ein gutes Leben zu geben, wofür dann eben der Mann sorgt. Väter sehen darin ihre Verantwortung, einen Mann zu finden, der ihrer Tochter ein stabiles, sicheres Leben gewährleisten kann.
Frage: Wie wird das wohl sein, wenn man dann auf einmal verheiratet ist und beide Partner quasi keine Ahnung vom anderen Geschlecht haben, da sie ihr Leben lang kaum damit in Berührung gekommen sind bzw. nur auf ganz verschrobene Art und Weise? Wie muss das sein, sich sexuell anzunähern mit 0 Vorwissen und 0 Erfahrung? Keiner von beiden hatte die Chance, zu lernen, natürlich mit dem anderen Geschlecht umzugehen. Auf die Frage kann ich keine Antwort geben.
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