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Der Revisor

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Russische Komödie im Volkstheater.

Handlung

Das Stück des Schriftstellers Nikolaj Gogol spielt in einer russischen Kleinstadt, in der sämtliche Beamte mit einem miesen Charakter versehen sind. Vom Bürgermeister höchstpersönlich über den Richter und den Lehrer bis hin zum Postbeamten sind sie alle korrupt von Kopf bis zu den Zehenspitzen, gierig und schlampig in ihrer Amtsausführung. Ein verlogenes Pack also durch und durch. Die einzige Übeltat, die explizit für den Handlungsverlauf erwähnenswert ist: Der Postmann öffnet gerne die Briefe Fremder, die bei ihm eintreffen oder abgeschickt werden.

Diese korrupte Gemeinschaft wird von einem Gerücht erschüttert. Ein Revisor aus St. Petersburg soll kommen. Inkognito. Natürlich geraten die Bürger in Panik, denn die katastrophalen Zustände der Stadt würden eine Prüfung nicht überleben. Zur gleichen Zeit ist zufällig ein junger Mann mit Namen Chlestakow im Hotel abgestiegen, der verschwenderisch wohnt und speist und seine Rechnungen nicht bezahlt. Schnell glauben alle, dieser Chlestakow sei der Revisor.

Sie beginnen ihn mit Bestechungsgeldern und Annehmlichkeiten zu überhäufen. Anfänglich glaubt er, die Bürger der Stadt wären einfach nur sehr freundlich, begreift aber schnell, dass es sich um eine Verwechslung handeln muss und nutzt den Zustand schamlos aus. Er prahlt mit hoher Stellung und wertvollen Beziehungen in der Hauptstadt, knüpft den Bürgern Unmengen an Geld ab und amüsiert sich prächtig. Letztendlich verlobt er sich sogar mit der Tochter des Bürgermeisters – die sich genauso schamlos wie ihre Mutter dem Fremden anbietet. Auf Raten seines Dieners, der fürchtet, dass der Schwindel bald auffliegt, reist Chlestakow kurz darauf ab. Vorher gibt er einen Brief auf der Post ab, in dem er einem Freund von seinen Erlebnissen berichtet und über die Dummheit der Bürger herzieht.

Wie üblich, öffnet der Postbeamte den Brief und so erfahren alle die Wahrheit über das falsche Spiel und noch während sie sich ihre eigenen Charakterisierungen gegenseitig vorlesen, trifft die Nachricht ein, dass der Revisor eingetroffen ist…

Kritik

Der Revisor ist ein Stück, über das man einfach lachen muss, auch wenn es gar nicht die Art von Humor ist, die man sonst lustig findet. Thomas Schulte-Michels, der die Komödie am Volkstheater inszeniert hat, hat sich für maßlose Übertreibung entschieden. Die Kostüme sind zum Schreien. Einerseits weil sie ziemlich widerwärtig aussehen – die Hosen sind beige-gelblich mit fast dezenten Flecken, kombiniert mit grellen, dreckigen Farben und versifften Morgenmänteln. Und andererseits, weil die Charaktere dadurch so grenzdebil aussehen, dass man sie schon von der ersten Sekunde auslachen muss.

Die Bühne ist eine einzige riesige Treppe. Eine Metapher für das schnell wechselnde Auf-und Absteigen des Renommees der Handelnden? Die Treppe wird vielfältig genutzt, es wird hinauf- und hinabgestiegen, sich darauf gewälzt, darauf heruntergerutscht, gestürzt, gesessen, gekuschelt und gesoffen. Vor allem aber viel gerannt. Das ganze Stück ist von einer unglaublichen Hektik und Hetzerei geprägt. Vor allem der Bürgermeister – ausgezeichnet (!) von Günter Franzmeier gespielt, der mir als Kreon in Antigone gar nicht so herausragend im Gedächtnis geblieben ist, fuchtelt ohne Unterlass mit wilden Gesten herum und hetzt sich und alle anderen treppauf und treppab. Man hat gar keine Zeit, irgendeine tiefgründigere Bedeutung zu erraten oder eventuelle Sozialkritik auf sich wirken zu lassen, man kann nur belustigt diesem auf hohem Niveau präsentierten Unsinn versuchen zu folgen.

Aber die wichtigsten Personen – wie schon erwähnt der Bürgermeister und der vermeintliche Revisor (Marcello de Nardo) – waren große Klasse! Ich bin fast vom Sessel gefallen, als mir aufgefallen ist, dass den Revisor derselbe Kerl spielt wie Mackie Messer aus der Dreigroschenoper. Beim Revisor ist er ein wirklich alberner Clown – das ist nicht übertrieben, seine zu großen Schuhe, der üppig verschmiert geschminkte Mund, dir viel zu weite Hose und die großen traurigen Augen, das sah alles sehr nach Clown aus. Hochgradig bescheuert, wenn auch nicht so versifft wie seine Kollegen. Aber Minute um Minute hat er sich den Respekt der Zuschauer, also meinen auf jeden Fall, verdient. Ein echter Wandlungskünstler – als Schauspieler und auch als Charakter im Stück. Zu Beginn jammert er erbärmlich über seine leeren Taschen und dass er seine Verschwendungssucht nicht finanzieren könne, zehn Minuten später stolpert er gefährlich als Betrunkener im Glücks- und Alkoholrausch in akrobatischen Hüpfern über die steile Treppe und wieder zehn Minuten später zeigt er sich kühl als gewitzter Mann, der die Situation zu nutzen weiß und dreist immer mehr Geld verlangt. Bei seinem spitzbübisches Grinsen bei der Feststellung, wie unheimlich dämlich doch alle in dieser kleinen Stadt wären, ist er einem (als einziger in dieser ganzen Bande) fast sympathisch. Eine sagenhafte Leistung!

Auch wenn Der Revisor eine Männerdomäne ist, die beiden Frauen darf man nicht ganz außer Acht lassen. Susa Meyer und Andrea Bröderbauer als Frau und Tochter des Bürgermeisters, vervollständigen das ganze Bild von Dummheit und Gier. Passt also perfekt. Die beiden zeigen vielleicht am allermeisten, warum Der Revisor ein Riesenspaß ist, vielleicht nicht nur für die Zuschauer. Die Charaktere agieren so übertrieben, dass sie fast schon Karikaturen sind, es muss als Schauspieler eine reine Freude sein, so spielen zu dürfen. Sowohl Frau als auch Tochter des Bürgermeisters biedern sich mit allerlei Pomp, Angeberei und Rüschen so billig dem “einflussreichen Fremden” an, dass man sich kurzzeitig in eine ganz schlechte Variante des Moulin Rouge versetzt fühlt.

Zusammenfassend ist das Stück von Hektik, maßloser Übertreibung, widerwärtigen Kostümen und großartigen schauspielerischen Leistungen geprägt.

Man schämt sich, zuzugeben, dass man es wirklich gut fand. Der Autor Gogol selbst soll nach der Uraufführung 1836 geschrieben haben: “Mein Stück ist mir zuwider”. Trotzdem: Ich habe mich köstlich amüsiert! Selten über so viel Schwachsinn so ehrlich gelacht.

Ehrlich, wer es schafft, dass man sich darüber zerkringelt vor Lachen, ob Regisseur oder Schauspieler, der hat eine gute Kritik wirklich verdient. Meine Daumen sind jedenfalls oben!

Randnotiz

Ein neues Schimpfwort gelernt – der Bürgermeister, letztendlich als “besonders blödes Exemplar” entlarvt hat mehrere eingebracht, aber das schönste: Du Bratarsch!

Photo © APA

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