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Asir

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Die Region im Süden an der Grenze zum Jemen ist der Asir. Die Provinz ist ein wenig kleiner, aber eigentlich umfasst die gesamte Region ein ziemlich abwechslungsreiches und spektakuläres Territorium.  Im Westen ist ein sehr fruchtbarer Küstenstreifen am Roten Meer, dann kommt das Gebirge, durch eine scharfe Kante von der Küste abgetrennt. Das Gebirge, welches bis zu 3000m in die Höhe ragt, fällt dann nach Osten ab in ein breites Hochland, wo es in die Wüste “Rub’ al-Khali” (leeres Viertel) übergeht.

Vielleicht, weil der Süden etwas isoliert ist vom Rest (die ausgebesserten Überlandstraßen, die in den Asir führen, gibt es noch nicht so lange), vielleicht weil die Menschen dort schon immer etwas schwierig einzunehmen waren und immer schon (und auch heute?) nicht ganz so zufrieden mit der saudischen Zentralregierung, vielleicht durch die Nähe zum Jemen, man kann viele Gründe finden für die Tatsache, dass Asir einfach anders ist. Dass die Liebe auch auf der anderen Seite nicht besonders groß ist, sieht man daran, dass der saudische Staat nur zögerlich in die Region investiert. Im Vergleich zu den großen Städten  wirkt der Asir regelrecht verarmt, die Universität in Abha (dem größten Ort und Hauptstadt der Provinz) kann den Universitäten in Riadh oder Jeddah nicht das Wasser reichen, obwohl sie immerhin auch über 70.000 Studenten hat.

Die Landschaft ist großartig! Das zerklüftete Gebirge wirkt bizarr und irgendwie fehl am Platz, zwischendurch sind kleine Grünflächen mit Schaf- oder Ziegenherden, dann sieht das fast aus wie in der Schweiz. Man kann kaum glauben, wie die Familien in den kleinen Siedlungen direkt im Hochgebirge, abgeschnitten vom Allem und kilometerweit entfernt von einem Markt, überleben.

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Und es gibt dort Affen!

Das Interessante an der Region ist das traditionelle Kulturgut. Wie es wohl überall auf der Welt ähnlich ist, verfallen auch dort die Traditionen allmählich und sind im Alltagsleben nur noch spärlich zu entdecken, aber im Asir bemüht man sich, diese Traditionen so weit es geht zu bewahren, zu pflegen und interessierten Besuchern zu zeigen. Rijal Alma’ ist ein Dorf im Herzen des Asir-Gebirges, welches wir besichtigt haben. Es ist weniger ein bewohntes, lebendiges Dorf, sondern mehr eine Art Freilichtmuseum, das nur noch von rund 300 Männern gepflegt wird. Die traditionelle Kultur des Asir ballt sich hier und wird stolz zur Schau gestellt und präsentiert. Natürlich hat das ganze einen gewissen touristischen, künstlichen Touch, aber was soll man machen. Vielleicht ein bisschen wie viele der traditionellen Adventmärkte in Wien…

Auffallend ist vor allem die Farbenvielfalt. Nachdem wir vom Rest des Landes vor allem schwarz, weiß, silbrig und beige gewohnt waren, sind die Farben des Asir eine willkommene Abwechslung. Besonders charakteristisch sieht man das bei den bunten Mustern in den Innenwänden der Gebäude, die traditionell von Frauen gestaltet werden. Ob die Malereien im Museum tatsächlich von eine asirische Frau gemalt worden sind, sei dahingestellt, vermutlich war es ein armer Pakistani oder Inder. Aber wir hatten die Gelegenheit, eine brüchige Ruine zu betreten, wo tatsächlich originale, wunderschöne Wandverzierungen zu sehen waren.

Diese Farben sieht man auch in den großen Decken, die sich die Männer um die Hüfte wickeln oder die auch als Tischtuch, Wandbehang, Schultertuch, Kopfbedeckung etc. verwendet werden.  Das ist fast wie eine Art asirische Flagge, deren Farben man stolz zeigt.

Besonders verliebt habe ich mich in die Holztüren und -fenster, die mit feinen Schnitzereien versehen sind.

Weiterhin gibt es ganz spezielle Bautechniken, die man so nur im Asir findet.

Viele Traditionen sind auch etwas kritisch zu betrachten und sind wohl auch ein wenig mit für die Abgrenzung verantwortlich, z.B. ein gewisser Hang zum Aberglauben oder auch eine besonders schmerzvolle Form der Beschneidung, die lange Zeit praktiziert wurde. An erwachsenen Männern, weil Kinder gar nicht in der Lage wären, diese Schmerzen zu ertragen.

Bezüglich der Bevölkerung haben wir zwei Extreme erlebt.

Auch wenn man im Asir nicht besonders angetan von der saudischen Obermacht ist, gilt die Region trotzdem als sehr konservativ. Die traditionelle Kleidung ist zwar auch bunt und die Abayas farbenfroh und reich verziert, heute sieht man aber kaum eine Frau ohne Gesichtsschleier.

Beim Besuch der Universität haben wir Frauen (die Männer und Frauen haben natürlich wieder getrennte Campus betreten) eine ziemlich heftige Erfahrung gemacht, bei den Männern war es wohl nicht so schlimm. Es war das erste Mal, dass wir uns wirklich unwohl und nicht willkommen gefühlt haben. Die Frauen – richtige Matronen – haben uns mehr oder weniger niedergemacht. Weil wir nicht alle den Quran gelesen haben, weil wir keine saudischen Sprachlehrer bei uns am Institut haben, weil wir andere Dialekte lernen (ägyptisch, tunesisch….. das seien alles Minderheitensprachen, der einzig würdige Dialekt sei der saudische), weil wir uns für populäre Kultur interessieren, weil wir keine Muslime sind (das kam schon unterschwellig an, auch wenn niemand es direkt aussprach)… die Damen waren einfach unfreundlich und das war das erste Mal, dass wir einfach nur wieder gehen wollten. Zum Glück haben sie uns auch wieder weggelassen, mit den Worten “So Gott will, sehen wir uns im Paradies” Blöd nur, dass uns klar ist, dass nach deren Meinung von uns allen wohl keiner dort je ankommen wird.

In den zwei Dörfern, die wir besucht haben, wurden wir allerdings ganz gegenteilig, nämlich extrem herzlich aufgenommen. Der Scheich in Rijal Alma war ein echt charismatischer Redner, sehr freundlich und hat uns mit Freuden empfangen, alles gezeigt, Geschichten erzählt, die Kamera geliebt und war ein echter Touristenguide. Man hat gemerkt, dass es ihm sehr am Herzen lag, zu zeigen, dass die Leute im Asir anders sind, gerne Besucher empfangen und nicht viel gemein haben mit dem Staatsgebilde Saudi-Arabien.

Als er seine Tochter Nawwara (“die Lichtbringende”) fragte, ob sie sich freue, dass sie ab dem nächsten Jahr auch verschleiert wird, worauf sie den Kopf schüttelte, meinte er nur: “Braves Mädchen, ich freu mich auch nicht…”

Die arme Nawwara musste ständig posieren und für Demonstrationen alter Bräuche bereit stehen.

Zum Schluss noch ein paar Eindrücke vom Markt – ein Highlight!

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