Handlung

Das Bildnis des Dorian Gray, der Roman, der die Vorlage bietet, handelt von einem außergewöhnlich schönen und anmutigen Jüngling namens Dorian Gray. Ihm zur Seite stehen Basil, ein Maler, der ihn verehrt und seine Schönheit anbetet sowie dessen Freund Lord Henry, der mit seinen zynisch-philosophischen Betrachtungen zunehmend Einfluss auf Dorian nimmt.

Als Basil ein Portrait von Dorian malt, wird sich Dorian unter Einflüsterungen von Lord Henry bewusst, dass seine Jugend und Schönheit vergänglich ist und er äußert den fatalen Wunsch, dass doch das Bild altern möge und er selbst jung bleiben könne.

Ich bin auf das Bild eifersüchtig, das du von mir gemalt hast. Warum soll es das behalten, was ich verlieren muss? Jeder Augenblick der flüchtigen Zeit nimmt etwas von mir und gibt ihm etwas. Ach, wenn es doch umgekehrt wäre! Wenn das Bild sich verändern möchte und ich immer der bleiben könnte, der ich jetzt bin!

Während sich die Freundschaft zu Lord Henry verstärkt, beginnt der naive Dorian, ein ausschweifendes Leben zu führen und behandelt eine ihm sehr zugetane Schauspielerin namens Sybil schlecht, worauf diese sich selbst umbringt. Seine Schuld daran und die Verschlechterung seines Charakters lässt ihn zum ersten Mal eine Veränderung auf dem Portrait bemerken und ihm wird nach anfänglicher Panik klar, dass sein Bitten sich erfüllt hatte.

Sein Wunsch war doch nicht in Erfüllung gegangen? Solche Dinge waren unmöglich. Es schien ungeheuerlich, auch nur daran zu denken. Und doch, da stand das Bild vor ihm und hatte den Zug der Grausamkeit um den Mund. Grausamkeit! War er grausam gewesen? Es war die Schuld des Mädchens, nicht seine.

Das riesige Portrait nimmt alles auf, was seinen Körper, sein Gesicht, seine Ausstrahlung altern lässt und reflektiert wie ein Spiegel seine moralischen Schwächen. Diese nehmen zu, er treibt sich in dubiosen Gegenden herum, lebt ausschweifend und skrupellos  und zieht andere in den gesellschaftlichen Abgrund. Lediglich seine bleibende Jugend und Anmut verschafft ihm hohe Anerkennung.

Die grausamen Züge auf dem Portrait und sein Doppelleben zwischen gesellschaftlichem Höhenflug und Abstürzen treiben ihn langsam in einen Wahnsinn, gepaart mit Verfolgungswahn, Verschwendungssucht und er begeht einen (weiteren) Mord an seinem Freund und Künstler des Portraits Basil, nachdem dieser die Veränderung zu sehen bekommt.

Letztendlich finden seine Diener Dorian Gray nach dessen Selbstmord vor dem Portrait, welches wieder den schönen Jüngling zeigt, wohingegen die echte, tote Gestalt von alten, zerfurchten, grausamen Zügen entstellt am Boden liegt. Damit ist der “Fluch” durch den Suizid aufgelöst.

Kritik

Es lohnt sich auf jeden Fall, Oscar Wildes Roman zu lesen, auch wenn der einige Längen hat. Leider schreibe ich hier aber nicht über das Buch, sondern über die Aufführung im Burgtheater. Und da war ich etwas enttäuscht.

Aber wie konnte auch etwas daraus werden, wenn man ein so tiefgreifendes und detailreiches Buch wie Das Bildnis des Dorian Gray auf eine gute Stunde und nur einen Schauspieler kürzt. Ja tatsächlich, nur einen Schauspieler! Das Bühnenbild bestand aus mehreren Bildschirmen, die wie Bauklötze auf der Bühne versetzt angeordnet waren. Dorian Gray ist der einzige Mensch auf der Bühne, der zwischen den Bildschirmen herumturnt und mit den darauf abgespielten Bändern Zwiesprache oder auch Monologe hält. Die anderen Personen tauchen nur digital auf. Visuell ist das ganze Konstrukt schon ansprechend und eine sehr interessante Lösung, aber ich werde den Gedanken nicht los, dass sie eine ziemliche Sparflamme ist.

Ich will natürlich auf keinen Fall die Leistung von Markus Meyer ungewürdigt lassen, der den Dorian spielt. Er hat auf jeden Fall viel zu tun, was Turnen und Rezitieren anbelangt. Und sein Gesicht ist die ganze Zeit mit einer Farbschicht Gold bedeckt, das ist sicherlich im Scheinwerferlicht und in der ganzen Anstrengung auch sehr unangenehm. Aber damit gab es ein paar schöne Effekte und so ist natürlich am einfachsten die außergewöhnliche Schönheit Dorians symbolisiert. Er ist der Mittelpunkt, um den sich alles dreht, über den jeder spricht. Das ist schon gut hervorgekommen. Als er am Ende vor seiner Live-Kamera (die riesengroß auf die Bildschirme übertragen wird) im Wahn sein Gesicht zerkratzt und damit den Goldlack, ist das ziemlich beeindruckend und macht als Übertragung des Selbstmordes schon einiges her.

Aber das war es dann auch eigentlich schon mit dem Lob.

Sibyl Vane, die Schauspielerin, mit der sich Dorian spontan verlobt und die er dann ebenso spontan und auf sehr fiese Art und Weise fallen lässt, tötet sich ebenfalls selbst – aber ganz am Anfang – und ist damit ein zentraler Angelpunkt in der Handlung, finde ich. Sie macht ihn zum ersten Mal schuldig und die Veränderung auf dem Portrait beginnt.

Auf der Bühne trat keine Sybil in Erscheinung, nicht mal auf einem Bildschirm, was ich für einen Fehler halte. Das Kapitel der Geschichte hätte meiner Ansicht nach ausgebaut werden müssen! Es bloß in einer Minute “abzuhaken” und auch noch ohne eine Sybil Vane, wird der Bedeutung des ersten moralischen Fehlgriffes von Dorian überhaupt nicht gerecht.

Aber natürlich sind Handlung und Personen so extrem gekürzt, dass nur die Szenen und Personen, die für den Ablauf absolut notwendig sind, auftauchen. Dadurch wirkt das Ganze einfach wie eine plumpe Nacherzählung einer Geschichte, es gibt kaum Möglichkeit, tiefer einzutauchen. Auch wenn der Regisseur auf symbolträchtige und stimmungsgeladene Momente durchaus Wert gelegt hat – ich finde, das hat es nicht gebracht.

So etwas wie einen guten Einfluß gibt es nicht. (…) Jeder Einfluß ist unmoralisch – unmoralisch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus. (…) Weil einen Menschen beeinflussen soviel bedeutet, wie ihm die eigene Seele geben. Er denkt nicht mehr seine natürlichen Gedanken oder entflammt in seinen natürlichen Leidenschaften. Seine Tugenden gehören in Wahrheit nicht ihm.

Weiterhin: Lord Henry ist ein kluger Einflüsterer, ein kleiner Teufel, der schon im Buch oft etwas nervt mit seiner ständigen negativen Herumphilosophiererei. Auf der Bühne bzw. auf den Bildschirmen war er doppelt nervig und hatte noch dazu gar keinen Biss. Man glaub ihm nicht, dass er klug genug ist, Dorian derartig zu beeinflussen und diese Klugheit ist für die Rolle wichtig. Leider sah der Schauspieler aus wie Christoph Maria Herbst und hat mich ständig an Stromberg erinnert, was nicht dazu beitrug, dass ich ihn in der Rolle als Lord Henry ernst nehmen konnte. Aber auch so wirkte die Person eher wie ein kleiner Gangster, der sich einen Spaß daraus macht, schmierig daher zu reden und pseudo-kultiviert Wein zu trinken. Ja, pseudo-kultiviert trifft es. Lord Henry ist wirklich kultiviert, auf der Bühne des Akademietheater wirkte das leider nicht echt. Fehlbesetzung!

Das Bildnis des Dorian Gray umspielt so viele Themen, es geht um Moral, Schönheit, Lebensfreude, Schein und Sein, Liebe, Kunst, Tugend, Hedonismus, Schuld, Gesellschaft, Prestige usw. Nichts davon kam in der Inszenierung wirklich bei mir an.

Aber ein zufälliger Farbenton in einem Zimmer oder ein Morgenhimmel, ein besonderer Geruch, den du einmal geliebt hast und der versteckte Erinnerungen aufweckt, eine Zeile aus einem vergessenen Gedicht, die dir plötzlich wieder einfällt, ein paar Tonreihen aus einem Musikstück, das du längst nicht mehr spielst – ich sage dir, Dorian, von solchen Dingen hängt unser Leben ab.

Die Inszenierung war oft zu Effekt- und stimmungsgeladen im Vergleich zur fehlenden Tiefgründigkeit, was meiner Meinung nach durch die Beschneidung auf 75 Minuten und die Kürze und rasche Abfolge der einzelnen Szenen zustande kam.

Vielleicht bin ich auch zu sehr Fan vom klassischen Theater, wo auf der Bühne echte Menschen live miteinander agieren und mir war diese Version mit den vielen Bildschirmen einfach zu modern. Als Film hätte ich das womöglich anders gesehen, im Grunde genommen hätte es auch fast einer sein können.

Und vielleicht ist es wieder der Klassiker – das Buch ist immer besser als die folgenden Versionen.

 Als sie eingetreten waren, sahen sie ein glänzendes Porträt ihres Herrn an der Wand hängen, wie sie ihn zuletzt gesehn hatten, in all dem Wunder seiner köstlichen Jugend und Schönheit. Auf dem Boden aber lag ein toter Mann im Gesellschaftsanzug, mit einem Messer im Herzen. Er war welk, runzlig und Abscheu erregend. Erst als sie die Ringe untersuchten, erkannten sie, wer es war.

Randnotiz

Witzig © Dorktower:Photo © Reinhard Werner