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Maria Magdalena

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Bürgerliche Tragödie von Friedrich Hebbel.

Handlung

Das Drama spielt im bürgerlichen Milieu des 19. Jh. und handelt von folgender Familie: Der strenge Vater ist ehrbarer Tischler, seine Frau todkrank, sein Sohn Karl ist ein Kleinkrimineller und Unsympath. Alles dreht sich um Tochter Klara, die mit einem gewissen Leonhard verlobt ist, den sie aber gar nicht leiden mag, geschweige denn liebt. Dieser will sie auch eher wegen der Mitgift als wegen übermäßiger Zuneigung heiraten. Klara liebt ihren Jugendfreund, den Sekretär Friedrich, den sie auf einem Fest nach langer Zeit wieder trifft. Ihr Verlobter überredet/drängt sie zum vorehelichen Sex aus einem Moment der Eifersucht oder der Reviermarkierung heraus. Klara wird dann schwanger.

KLARA. Leonhard, es war nicht recht von Dir!
LEONHARD. Nicht recht, daß ich mein höchstes Gut, denn das bist Du, auch durch das letzte Band an mich fest zu knüpfen suchte? Und in dem Augenblick, wo ich in Gefahr stand, es zu verlieren? Meinst Du, ich sah die stillen Blicke nicht, die Du mit dem Secretair wechseltest?

Der erste Akt setzt ein, als die Familie von einem Juwelendiebstahl im Dorf erfahren, den mit großer Wahrscheinlichkeit Sohn Karl begangen hat. Die sowieso schon kranke Mutter stinkt auf diesen Schock und der Vater bleibt mit Klara und dieser Schande allein. Da sie nun seine einzige Hoffnung ist, lässt er sie schwören, ihm niemals Schande zu bereiten, sonst würde er sich selbst umbringen.

In dem Augenblick, wo ich bemerke, daß man auch auf Dich mit Fingern zeigt, werd’ ich – (mit einer Bewegung an den Hals) mich rasieren, und dann, das schwör’ ich Dir zu, rasier’ ich den ganzen Kerl weg

Klaras Verlobter Leonhard löst die Verlobung auf, nachdem er mitbekommen hat, dass Klaras Mitgift verschenkt wurde und der Reichtum durch die Hochzeit also ausbleibt. Er schiebt die Verhaftung des Bruders vor, er könne nicht in eine derart entehrte Familie einheiraten.

Klara, die also ein Kind im Bauch trägt, dessen Vater sie nicht (mehr) heiraten will, ist sich bewusst, dass sie der Familie und damit ihrem Vater größte Schande bereitet, wenn das herauskommt. Sie entschließt sich Leonhard anzuflehen, sie doch zu heiraten.

Das Gespräch zwischen Klara und Leonard verläuft nicht so gut. Sie bittet und fleht und bietet ihm an, er könne sie nach der Hochzeit schlagen, hungern lassen oder sogar töten, nur solle er sie heiraten, um dem Vater die Schande zu ersparen und ihn nicht zum Selbstmord zu treiben. Leonard hat zwar Mitleid, glaubt aber nicht daran, dass Klaras Vater tatsächlich Suizid begehen würde, auch hat er bereits eine lukrative neue Verlobung mit der Tochter des Bürgermeisters arrangiert. Er schickt sie also weg.

LEONHARD. Du kannst gottlob nicht Selbstmörderin werden, ohne zugleich Kindesmörderin zu werden!
KLARA.Beides lieber, als Vatermörderin! O ich weiß, dass man Sünde nicht mit Sünde büßt! Aber was ich jetzt tu, das kommt über mich allein! Geb ich meinem Vater das Messer in die Hand, so trifft’s ihn, wie mich! Mich trifft’s immer!

Klara wird daraufhin klar, dass sie ihren Vater nur vor der Schande und dem Suizid bewahren kann, indem sie selbst stirbt. Letztendlich stürzt sie sich in einen Brunnen. Für den Vater stürzt die Welt zusammen, als er zuletzt erfährt, warum das geschehen ist.

Kritik

Man sollte sich Maria Magdalena nicht mit schwachen Nerven anschauen, denn das Stück ist düster und tragisch, von Anfang bis Ende, vll. mit einer kleinen Unterbrechung, als Klaras Jugendschwarm Friedrich sie nach so langer Zeit wieder sieht und sie durch seine frohe Natur zum Lachen bringt. Genau diese Szene hat den Burgschauspieler Albrecht Abraham Schuch glänzen lassen und auch das Publikum zum Lachen gebracht – beinahe das einzige Mal in dem ganzen Stück. Dementsprechend prägt sich sein Auftritt besonders gut ein, auch wenn er ansonsten nicht viel Spiel hat. Völlig zu Unrecht bekommt er den meisten Applaus, denn Sarah Viktoria Frick als Klara ist einfach großartig. Die Rolle ist anspruchsvoll und Sarah Frick schafft es, Klara so vielschichtig darzustellen, wie ich es der Rolle gar nicht zutrauen würde. Klara ist zugleich klug und naiv-dümmlich, sie ist verträumt und sehnsuchtsvoll, auch emotional, aber meistens sehr pragmatisch. Sie ist bürgerlich-brav, aber doch stark, unendlich mutig und auf eine Art leidenschaftlich. Eine bemerkenswerte Eigenständigkeit legt Sarah Frick in die Rolle der Klara, obwohl das Mädchen eigentlich gar nicht viel tun kann als sich dem Schicksal zu fügen. Aber sie tut und plant und wägt ab und fühlt, wie es ihr kaum möglich ist. Allein die Mimik der Frau ist bemerkenswert, sie weiß mit ihrem Mund auch ohne Worte viel zu erzählen.

Das Stück ist düster, so auch die Inszenierung. Es gibt kaum ein Bühnenbild, quasi keine Requisiten, null Farbe. Von der Stimmung und der Inszenierung her hat es mich stark an Elektra erinnert, (kein Wunder, ist auch der selbe Regisseur – Michael Thalheimer) man geht aus dem Theater und ist fix und fertig mit den Nerven, aber weiß, dass man großartiges Theater gesehen hat.

Es ist typisch für den Regisseur, aus den ihm vorliegenden Texten die Frauengestalten und besonders die Heldin in ihnen herauszuarbeiten. Die Figur der Klara könnte die ganze Bühne allein einnehmen, das tut sie eigentlich auch, denn das minimalistisch Bühnenbild lenkt nichts von ihr ab. Sie ist unglaublich mutig, obwohl ihr Charakter es wohl eigentlich gar nicht ist, sondern permanent Angst hat. Das Profil einer Heldin, auch wenn durch ihre mutigen Taten nichts gewonnen ist.

Ich bin’s nicht allein, und leichter find’ ich am jüngsten Tag noch eine Antwort auf des Richters Frage: warum hast Du Dich Selbst umgebracht? als auf die: warum hast Du Deinen Vater so weit getrieben?

Regina Fritsch – Klaras Mutter – kennen wir schon aus Alpenkönig und Menschenfeind. Und auch hier wieder könnte einem diese nervtötende Quietschstimme auf den Geist gehen, aber damit wird die Figur, so kurz sie auch auftritt (die Mutter stirbt ja ziemlich schnell), zu eben dieser skurrilen, fast gruseligen Gestalt, die Eindruck hinterlässt. Und so schaffen es alle Figuren und Darsteller gleichermaßen, Eindruck zu hinterlassen, dadurch wird es bemerkenswertes Theater.

Einzig Tino Hillebrand – der Sohn – hat mich nicht so begeistert. Aber womöglich ist das der Rolle selbst geschuldet, dass er seine Worte stumpf wie Bauklötze herauspoltert und auch sonst kaum Bewegung zeigt.

Obwohl der Konflikt, in dem Klara sich befindet und der sie letztendlich in den Selbstmord treibt, längst nicht mehr aktuell ist und einer Welt entspringt, die das Bürgertum überwunden hat, zieht Klara den Zuschauer von Beginn an mit einem Ruck in ihre Welt. Als Zuschauer, der mit ansehen muss, wie sie sich windet zwischen Liebe und Verpflichtung, zwischen Lebenswille und dem Willen, ihren Vater zu retten. Letztendlich ist es ihr nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen, da sie gar keine Wahl hat, auch das muss der Zuschauer mit ansehen und miterleben. Der Selbstmord am Ende ist keine Erlösung, für niemanden, er besiegelt nur das, was das ganze Stück über im Raum stand und der Vater letztendlich ausspricht.

Ich verstehe die Welt nicht mehr!

Man versteht diese Welt nicht, man versteht nicht, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Und warum Lösungen nicht immer welche sind, sondern nur Konsequenzen. Das ist heute wohl immer noch so. Deswegen kann man auch nach dem Stück nicht einfach wieder aussteigen, man versteht auch seine eigene Welt nicht mehr, genau wie die von Klara.

Gott und Teufel scheinen sich ja beständig um die Welt zu schlagen, wer weiß denn, wer gerade Herr ist?

Randnotiz

Aus Friedrich Hebbels Tagebüchern nach der Fertigstellung von Maria Magdalena: 

In jedem Menschen ist etwas, was aus ihm ins Universum zurückgreift, Diese Räder, die erst im Tod laufen dürfen, soll er zum Stehen bringen, sonst wird er zu früh zermalmt.

Photo © APA

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