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Weihnachten 2022

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„Hans ist Bergarbeiter im Erzgebirge. Die Jahre, die er Tag für Tag schon unter Tage verbracht hat, haben ihre Spuren hinterlassen. Seine Haut ist fahl von der ständigen Dunkelheit, seine Hände sind rau und voller Blasen von der schweren Arbeit und seine Augen eingefallen. Sie sehnen sich nach der Sonne, deren Strahlen Hans an den wenigen freien Tagen viel zu selten sieht. Die Winter sind lang, aber auch die Sommertage nicht lang genug, um nach getaner Arbeit noch das Tageslicht zu genießen. Die Familie will versorgt werden und Hans ist der Kräftigste, er kann lange Schichten arbeiten. Er ist dankbar für die Arbeit und dafür, dass ihm bislang kein Unglück geschehen ist, zu viele seiner Freunde hat der Berg bereits unter sich begraben. Doch besonders jetzt, am kürzesten Tag des Jahres, sehnt er sich nach einem Ausweg aus dem Dunkeln. Nachdem der Arbeitstag vorbei ist und Hans sich auf den Weg macht, um für ein paar Stunden daheim auszuruhen, sieht er am Wegesrand eine Gestalt, in der Dunkelheit kaum erkennbar, aber von einem unwirklichen Schimmer umgeben. Er nähert sich und der Schimmer wird allmählich zu einem Leuchten, wie er es noch nie gesehen hat. Als er direkt vor der Gestalt steht, ergreift ihn die Wärme und das strahlende Licht. Sie spricht: „Fürchte dich nicht, Licht bringe ich dir, Licht bin ich. Du hast mich in der Dunkelheit gesehen und immer wenn du nach mir Ausschau hältst, werde ich für dich leuchten.“ Und der Engel begleitet Hans nach Hause und gibt ihm von seinem Licht mit, damit es sein Heim und seine Familie wärmt und erstrahlen lässt. Die Bergarbeit wird ihm nun nicht mehr so schwer fallen, da er in schweren, dunklen Tagen auf seinen Lichterengel hoffen kann, der ihm den Weg erhellt.“

Anfang des 16. Jahrhunderts wurden im Erzgebirge große Vorräte an Metallerzen entdeckt und wurden in den folgenden zwei Jahrhunderten im Bergbau abgebaut. Die Arbeit in den Minen war sehr hart, gefährlich und körperlich extrem anstrengend. Deshalb waren es meist die jüngeren Söhne der Erzgebirgler, die als Bergleute arbeiteten und ihren Familien damit den Hauptteil des finanziellen Einkommens sicherten. Unfälle waren im historischen Bergbau fast alltäglich, zudem lag der Arbeitsbeginn meist vor Tagesanbruch und die jungen Männer konnten erst nach Einsetzen der Dunkelheit wieder zurück nach Hause kehren. Der Mangel an Licht und die Gefahr in den Minen war damals das zentrale Thema bei den Erzgebirglern und sie erschufen Lichterfiguren, die den Söhnen nach der Arbeit den sicheren Weg nach Hause weisen.
So entstanden die Motive Engel und Bergmann, die nicht nur in den Familien selber, sondern schnell auch in den Kirchen im Erzgebirge einen festen Platz fanden. Die figürlichen Engel stellten die beschützende Himmelsmacht dar, während die hölzernen Bergmänner Abbilder der Söhne waren, die in den Minen Tag für Tag ihr Leben und ihre Gesundheit riskierten. Diesen beiden Lichterfiguren fanden als Paar auf dem Altar in der Kirche einen festen Platz und baten sinnbildlich um den Schutz Gottes. Später entwickelten sich Engel und Bergmann auch als Adventsleuchter: sie stellten die Anzahl der Söhne und Töchter der einzelnen Familien dar und wurden in der Vorweihnachtszeit mit Kerzenbeleuchtung in die Fenster gestellt. Noch heute ist es im Erzgebirge Tradition, den Töchtern zu Weihnachten Engel-Lichterfiguren zu schenken, während die Söhne Lichterfiguren in Form eines Bergmanns bekommen.

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