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Stille

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Dieses Wochenende hat es mich nun doch Richtung Zentralmalta und an die Südwestküste verschlagen. Es war Zeit für Maltas alte Hauptstadt. Mdina und Rabat, zur Römerzeit waren diese beiden eine Einheit, genannt Melita. Der Teil, der jetzt Mdina ist, wurde zur Festung ausgebaut, die es heute noch ist. Die starken Mauern haben sie einst auch vor den Türken geschützt, weswegen sie auch den Namen „Città Notabile“ trägt. Der andere Spitzname „Silent City“ ist überhaupt gar nicht übertrieben. Wie es sich für eine ordentliche Festung gehört, ist die Stadt nur durch zwei Tore zugänglich. Eine Brücke führt einen durch das hübsch verzierte Haupttor in eine Stadt, die aussieht, als wäre sie nur eine Kulisse. Heute leben nur noch 260 Menschen in Mdina – maltesischer Adel, das sieht man an den vielen Palazzi, die das Stadtbild beherrschen. Hohe, lange Bauten, deren Türen meistens meterweit voneinander entfernt sind, reihen sich aneinander. Dann dieser typisch maltesische beige-sandfarbene Ton mit einer leichten Rosatönung – ein bisschen melancholisch. Jedenfalls ist diese Stadt wirklich sehr still. Oft wird empfohlen, die Stadt bei Nacht zu durchgehen, um das Image wirklich so zu erleben, aber ich finde, das braucht es gar nicht. Ich weiß nicht, ob ich behaupten kann, von Mdina enttäuscht zu sein. Es kommt wohl darauf an, was man erwartet. Aber bis auf eine stille, kleine (wahnsinnig kleine) Festung mit hübschen Häusern und wenigen kleinen Läden – Mdina Glass soll sehr berühmt sein, aber ich sehe nicht viel Unterschied zwischen Mdina Glas und Murano Glas oder wo es noch so alles Glas gibt – gibt es wenig, was die Stadt selber hergibt. Nun ja, eine Kathedrale, die sich schon aus weiter Ferne aus der umliegenden Ebene abhebt. Die St. Paul Kathedrale ist des Besuches Wert, leider wird auch da gebaut, sodass man die reich gestaltete Decke nicht wirklich bewundern kann. Auf dem Boden sind bunte Marmorgrabplatten verlegt, ein schönes Element, was die beiden wichtigsten Kathedralen Maltas verbindet. Schon in der St. John Co-Kathedrale in Valletta hat das einen großen Teil des Prunks ausgemacht und es macht Freude, teilweise sehr seltsame Wappen auf den Platten zu finden.

Bester Schokokuchen

Auf jeden Fall ein Grund, nach Mdina zu kommen, ist ein Lokal am nördlichen Rand der Festung, wo es hausgemachten Kuchen gibt. Und der ist nicht nur gut, ich habe dort den besten Schokoladenkuchen meines Lebens gegessen. So etwas sollte zur Fastenzeit verboten sein! Aber wie sich herausstellte, sind viele wegen eben dieses Schokoladenkuchens dorthin gekommen – mein Reiseführer ist wohl nicht der einzige, der ihn explizit erwähnt. Die herrliche Aussicht, die man über den Nordosten bis zur Küste hat (der Mosta-Dom sticht besonders heraus) würde ich knapp dem Kuchen unterordnen.

Da man an den Mauern von Mdina gar nicht anders kann, als sich als echter Tourist zu fühlen, hab ich auch noch eine richtige Touristenunternehmung mitgenommen – ein kleiner Zug fährt eine halbstündige Rundtour durch die Gegend. Entzückend, aber das eigentlich zu nehmende Verkehrsmittel wären Pferdekutschen, in denen man sich durch Mdina fahren lassen kann. Wenn einem das Mittelalterfeeling ansonsten noch nicht reicht.

Rabat und die Katakomben

Zu Rabat (bedeutet Vorort, vergleicht man die Größe der beiden zusammengehörigen Teile, wirkt das ein wenig lächerlich) gehören weitläufige Katakomben. Es gibt mehrere Zugänge zu den unterirdischen Grabanlagen, was ich aber erst später festgestellt habe. Berühmt sind die St. Paul und die St. Agata Katakomben. Ohne groß zu schauen, habe ich also am erstbesten Eingang ein Ticket gelöst, mit der Annahme, es wären die Pauluskatakomben. Naheliegend, denn da konnte man auch die Paulusgrotte (Paulus soll der Legende nach dort gelebt haben, Papst Johannes Paul war aber auf jeden Fall da) sehen. Die Katakomben selbst sind nur ein kleiner Teil der unterirdischen Anlage, einen Großteil machen die recht geräumigen, strukturiert angeordnete Höhlen aus, die im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden zum Schutz der Bevölkerung. Zuerst dachte ich, das wären die Grabhöhlen und war recht beeindruckt, bis ich dann die Abzweigung zu den echten Katakomben gefunden habe (das Ganze ist ein ziemliches Labyrinth und ein paar Intelligenzbestien haben sich einen Spaß mit der Beschilderung gemacht). Very spooky, unterirdische Gräber eben, in einigen haben sie auch noch Knochen liegen lassen. Nun, man kann da schön herumklettern und durch die vielen Gänge kriechen.

Dass das gar nicht die gedachten Katakomben sind, wurde mir erst klar, nachdem ich meine verzweifelte Suche nach einigen Hinweisen aus meinem Reiseführer aufgegeben hatte und wieder an der Oberfläche den wirklichen Eingang zu den Pauluskatakomben (ich weiß gar nicht, warum die so heißen) fand. Die waren dann noch labyrinthartiger und unübersichtlicher und irgendwie waren mir das dann zu viele Katakomben an einem Tag, sodass ich es nicht lange dort unten ausgehalten habe. Aber immerhin habe ich da z.B. die lange gesuchten „Agapetische“ gesehen, an denen so eine Art christliches Totenmahl abgehalten wurde.

Rabat und Mdina, oder Melita – keine große Attraktion, aber charmant. Das trifft auf so vieles in Malta zu.

Dingli Klippen

Heute ging es noch ein Stück weiter bis ganz an die Küste zu den Dingli Klippen. Diese ziehen sich einige Kilometer lang, die man abwandern kann und dabei immer einen klaren Blick auf das weite Meer hat, das dort ungewöhnlich ruhig ist. Im Vergleich zu den stürmischen Küsten an der gegenüberliegenden Seite des Landes. Ich habe viele Leute gesehen, die mit dem Auto hingefahren sind und mal an den Rand geschaut haben. Das enttäuscht sicher, denn sonderlich spektakulär ist weder die Höhe noch der Steilhang, deswegen entfaltet sich die Schönheit der Klippen erst, wenn man sich die Zeit nimmt, ein wenig auf den Felsen entlang zu spazieren. Vor allem, wenn man schon an Steilrändern wie dem Grand Canyon gestanden hat, muss man sich hüten, zuviel zu erwarten.

Beim Blick auf die lange Küstenstraße, von Grün und Steingrau umsäumt, kam ich mir wieder kurz wie in Irland vor. Mir fällt immer mehr auf, wie viel Landschaft und unbebautes Gebiet es in Malta eigentlich doch gibt, an der Küste, besonders natürlich im Norden, tummeln sich die Städte, aber der Großteil der Insel ist doch ziemlich dörflich und tlw. kaum besiedelt.

Spuren aus vergangener Zeit

Die weiteren „Attraktionen“ dieses Gebiets sind die Karrenspuren, sie man überall in Maltas Landschaft finden kann. Relativ tiefe Furchen aus prähistorischer Zeit, deren Sinn umstritten ist. Mir sind die Dinger ziemlich egal, tiefe Linien im Stein – na und?
Aber die Malteser sind stolz darauf! Etwas spannender ist die Ghar il-Kbir, die „große Höhle“. Eher ein Höhlenkomplex, der bis ins 18. Jahrhundert sogar bewohnt war! Angeblich wurde diese Höhle mal als romantischstes Motiv in Europa gewählt, ich habe aber definitiv schon Romantischeres gesehen, auch hier in Malta. Trotzdem Teil einer schönen Wanderung an den Klippen, die ich dann bis zurück nach Mdina ausgedehnt habe. Nicht, weil die Strecke auch so toll ist, sondern weil ich auf einen Bus eine Dreiviertelstunde hätte warten müssen, der nur vielleicht gekommen wäre.

Politik

In Valletta konnte man wieder relativ gut erkennen, welche große Rolle die Politik hier spielt. Auf einer riesigen Leinwand wurde irgendeine Rede von Joseph Muscat, dem Vorsitzenden der Partit Laburista, zu den anstehenden Parlamentswahlen übertragen. Diese Veranstaltung war ein derartiges Massenereignis, ähnlich der Fußball-WM oder so.
Überall riesige Fahnen, Geschrei und sogar Shirts mit Muscat‘s Kopf drauf. Komischerweise sehe ich in Malta immer nur diese eine Partei vertreten, überall Partit Laburista-Zentren, von der Partit Nazzjonalista sieht und hört man gar nichts. Mir ist das etwas unheimlich. Laut einem Studienkollegen ist man in Malta von Geburt an entweder der einen oder der anderen Partei zugehörig „you inherit your political position and stay with it until your death“. Den Beweis habe ich heute gesehen – kleine Kinder oder Babies mit politischen Shirts, Wahlsprüchen und Strampler mit Politikerköpfen?! Ja, wirklich! Das erinnert mich alles an….. naja, das lasse ich lieber. Es gibt sogar ein offizielles Lied zum Wahlspruch „Malta Tagħna Lkoll“ (Malta gehört allen), das nenne ich mal echten Wahlkampf!

Ich bin heute erst ziemlich spät zurück gekommen und das ganze Laufen hat sehr ermüdet – ich hoffe, mir wird verziehen, dass dieser Bericht etwas kürzer und weniger kreativ ausgefallen ist. Nächste Woche gebe ich mir wieder mehr Mühe, versprochen!

Maltesisch: Sema = Himmel; Frotta = Frucht; Qamar = Mond; Ħad = Sonne; Ġobon = Käse

Wetter: Es ist wieder ganz schön kalt geworden. Aber eigentlich nur der Wind, denn die Sonne scheint tüchtig.

Fazit: Schokoladenkuchen in Mdina kommt eindeutig unter die Malta-TopTen! Malta – man darf nichts Spektakuläres erwarten, dann bekommt man wunderbare Erlebnisse!

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