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Jauchzet! Frohlocket!

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Ostern in Malta – diese kleine Insel dreht auf. Wenn man als Europäer Ostern gebührend und vor allem ausgiebig feiern will und nicht nach Rom möchte, ist Malta eine ausgezeichnete Alternative! Land der Prozessionen, Land der Lichter. Vieles erinnerte mich an Weihnachten. Jauchzet! Frohlocket! Der folgende Bericht wird zeigen, wie das hier gemacht wird.

Gründonnerstag in Siggiewi

Leider habe ich den eigentlichen Beginn der Karwoche verpasst – eine Woche vor dem Karfreitag wird ein Fest zu Ehren der „Lady of Sorrows“ gegeben, laut mehreren Berichten eines der andächtigsten und beliebtesten, natürlich mit Prozession. Nachdem ich den ersten Teil der Woche hauptsächlich mit meiner Bachelorarbeit verbracht habe, kam der Gründonnerstag schon mit einigen bombastischen Eindrücken. Jetzt, nachdem der ganze Trubel der Karwoche vorbei ist, behaupte ich, dass dieser Abend der Eindrucksvollste war. Dementsprechend habe ich ganz wunderbare Photos gemacht und hier kommt die traurige Nachricht: Sie sind alle weg, im digitalen Nirvana. Ich weiß nicht, warum, aber meine Kamera ist überzeugt, dass ich nie Photos von einer wunderbar illuminierten Kirche gemacht habe. Denn am Donnerstag bin ich nach Siggiewi gefahren, wie viele andere auch. An der Stelle muss ich schon vorwegnehmen, dass die Malteser keineswegs pfarreigebunden sind, wenn es um Festlichkeiten oder besondere Ereignisse geht. Vielleicht gehen die meisten Sonntags in ihre Pfarrei zur Messe, am Grünnerstag aber fährt der Malteser nach Siggiewi.

Nach einem sehr schönen Gottesdienst kann man da ein prachtvolles Bild genießen – die Kirche ist gelb und blau angestrahlt und auf dem riesigen Dorfplatz davor sind tausende Kerzen verteilt. Also solche windfesten Dinger, Öl oder Petrolium in Blechdosen (haufenweise Mini-Sausages-Dosen, ich frage mich, wer die alle gegessen hat). Rund herum an den Häusern und auch in den anderen Straßen um das Zentrum herum sind die Häuser geschmückt, mit Lampen und beleuchteten Schaufenstern, in denen Passionsszenen oder einfach nur Kreuze stehen. Erster weihnachtlicher Eindruck. Irgendwo wurde auch Blasmusik nonstop aus den Lautsprechern eines Band Clubs abgespielt. Aber die Kirche bot wirklich einen spektakulären Anblick, meine Bilder hätten es nur ansatzweise zeigen können. Leider muss ich mich jetzt von Bildern aus dem Internet von vorigen Jahren bedienen, man muss sich das Ganze nur heller und mit mehr Beleuchtung an den Häusern vorstellen.

Cuqlajta

Doch der maltesische Siggiewi-Gründonnerstags-Eindruck ist nicht nur visuell. Nach der Messe beginnen, wie auch in anderen älteren und traditionelleren Städten, die „Cuqlajta“ zu rattern – eine Art Holzrassel, die im Glockenstuhl eingebaut ist und anstelle der Glocken „erklingt“. Und zwar die ganze Nacht hindurch bis Freitag vormittag und dann Freitag Abend bis Samstag früh. Das macht man nicht überall, in Valletta und rund um die Häfen gibt es das nicht, aber auch in den Three Cities und im Landesinneren findet man diese Dinger. Ganz schön laut und in einem ziemlich stetigen Rhythmus trägt das auch einen Teil zur ganz besonderen Stimmung bei.

Altars of Respose

In der Zeit von Gründonnerstag Abend bis Freitag Mittag ist es Tradition, sieben „Altars of Respose“ (gibt es eine entsprechende deutsche Bezeichnung dafür? Ruhealtäre?) in verschiedenen Kirchen zu besuchen. Dafür hat man dankenswerterweise bis Freitag Mittag Zeit. Leider habe ich es nur auf fünf geschafft, auch wegen meiner eingeschränkten Mobilität. Allerdings scheint es eine Art Wettstreit zwischen den Kirchen zu geben, wer den Altar am schönsten schmücken kann – das sind schon eigene Kunstwerke für sich.

Salzmalereien

Donnerstag öffnen auch die „Wirja ta‘ Vari“, schlicht übersetzt sind es Ausstellungen. In jeder Stadt gibt es mehrere davon, allein in Siggiewi habe ich fünf besucht, wenn man das auf das ganze Land hochrechnet… Meistens werden Miniaturmodelle von Passionsszenen ausgestellt oder die famos-grandios-genialen Salzbilder. Bilder aus gefärbtem Salz (manchmal auch Reis oder andere Körner), der in feinster Arbeit auf eine Platte gestreut und angeordnet wird, sodass am Ende wahre Kunstwerke entstehen. Auf den ersten Blick wirkt das meistens wie ein Gemälde, je nachdem, wie sauber gearbeitet wurde, aber wenn man genau hinschaut, sieht man die feinen Körner und man muss beinahe wirklich den Atem anhalten, denn nichts ist festgeklebt. Dementsprechend liegen die Bilder, bei einem Windhauch wäre alles verweht. Diese Kunstwerke, sowie auch die Statuen decken alle möglichen Größenordnungen ab, es gibt kleine Bilder oder Portraits, aber auch riesige Szenen“malereien“ – einfach phantastisch!

Eine dritte Variante der Ausstellungen: Last Supper Displays. Dabei wird das Letzte Abendmahl dargestellt, meistens mit echten Speisen (nach jüdischen Traditionen) auf den Tellern, manchmal mit Wachsfiguren, manchmal mit Namensschildern oder Portrais der Apostel. Sehr viel Symbolik und liebevolle Details.

In größeren Räumlichkeiten (alle möglichen Orte werden dafür genutzt, Keller, Garagen, meistens Band Clubs, Kapellen usw.) mischt man auch gerne alles untereinander, Statuen, Salzbilder, Abendmahlsdarstellungen, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Oft ist das Arrangement sehr stimmungsvoll, mit gedimmten Lichtern, farbenfroh und stildurchmischt . Und man hat scheinbar eine Vorliebe zu Zimt- und Anisduft. Nächster weihnachtlicher Eindruck.

250kg Salz

Ganz besonders hervorheben kann ich die Ausstellung im Polizeihauptquartier in Floriana, bei dem 250kg Salz verbraucht wurde, und auch die in der Touristeninformation von Valletta, die sich über mindestens 10 Kellerräume erstreckte und ein schier unendliches Repertoire an religiöser Kunst zeigte.

Besonders schön fand ich, dass die Aufseher überall die „Künstler“ selbst waren, mit denen man sich sehr gut unterhalten konnte, die superstolz sind, wenn man sich für ihre Arbeiten interessiert und Photos macht (…). Schließlich gibt es im ganzen Land verteilt mehrere hunderte davon. Eigentlich sind es überall Männer, die das als Hobby für die Karwoche machen. Ich habe einen gefragt, wie sich das anfühlt, wenn nach Ostern alles weggekippt wird: „Als würde man mir die Hand abhacken.“ Aber die Freude und das Interesse der Besuche sei es allemal wert.

Zu den Salzbildern könnte ich ewig schreiben, das sind so großartige Werke und die Leute erklären einem wirklich gerne jedes einzelne Bild und die Technik ganz genau.

Laferla

Aber zurück zum Gründonnerstag Abend – nachdem man die Ausstellungen rund um die Kirche besichtigt hat, macht man sich auf zum „Laferla Cross“, ein großes Kreuz auf einem Hügel bei Siggiewi. Der Fußweg schlängelt sich ziemlich schmal hinauf, gegen Ende auch recht steil und steinig. Keine Lampen, sondern der ganze Weg ist mit Kerzen ausgeleuchtet, die an den Steinmauern an den Seiten oder einfach am Wegesrand stehen. Über dem ganzen Berghang verstreut stehen hunderte Fackeln. Von Weitem sieht es aus wie ein Geburtstagskuchen mit Kerzen bestückt. Manche gehen den Weg als Kreuzweg (allerdings habe ich nur 3 Kreuzwegstationen entdeckt, man muss aber auch sehr auf seine Füße achten), manche gönnen sich Bier und Zigarette, manche mögen einfach nur die romantische Stimmung. Aber es gehen wirklich alle da hoch, zumindest alle, die gut zu Fuß sind. Denn am Ende ist es doch ein 1,5-stündiger Weg. Eine jüngere Tradition – angefangen hat das ganze vor ca. 20 Jahren mit 70 Kerzen, jetzt sponsert die Bank von Valletta 2000 Fackeln für diesen Abend. Ich hatte einiges an Mitleid mit den armen Leuten, die mit Gasbrennern den Hang immer wieder auf und abgelaufen sind, um evtl. erloschene Kerzen neu zu entzünden.

Das Bild aus dem Internet kann nicht mal ansatzweise mit dem Kerzenmeer des Laferla-Hügels mithalten. Muss man live sehen! Oder wenigstens besser und aktueller photographiert.

Karfreitag in Zebbug

Karfreitag verschiebt sich dann der zentrale Schauplatz ein Stück weiter nördlich nach Zebbug. Dort findet eine der pompösesten Karfreitagsprozessionen statt. Puh, was für ein harter Brocken! Karfreitag ab ca. 4 Uhr ist es dort so gerammelt voll (Malteser sowie Touristen), dass vorher sogar Sitzplätze am Rand der Hauptstraße verkauft werden. Die Prozession hat es auch wirklich in sich. Ich kann die Zahl der Teilnehmer nur schätzen – vll. 300? Römische Wachsoldaten klopfen an die mächtige Tür der Kirche. Sie öffnet sich und heraus tritt ein nicht endender Zug an Figuren. Den großen Rahmen bildet natürlich die Passionsgeschichte, die von – wieder auf Stangen von 8 Männern getragenen – riesigen Statuen dargestellt wird, dazwischen biblische Szenen, die Einzelne oder Gruppe in Verkleidung erzählen. Dazwischen Jungs oder Mädchen, die auf Schildern die entsprechende Szene ankündigen. Alttestamentliche und neutestamentliche Episoden waren zwar vermischt, aber ich glaube, da steckte schon ein System dahinter, ich weiß nur nicht welches. Bis alle draußen waren, hat es 2 Stunden gedauert (alle paar Schritte wird angehalten, um den Trägern eine Pause zu gönnen und Zeit für Photos zu lassen), dann sind sie nochmal 2 Stunden durch die Stadt gelaufen. Wenn man hinten beim Auferstandenen angelangt war, konnte man in aller Ruhe noch die ein oder andere Ausstellung anschauen und dann ist es nett, die Prozession noch einmal entgegen gesetzt abzulaufen. Mittlerweile sind die Abstände zwischen den Gruppen dann schon größer geworden, manch ein Kreuzträger trifft auf einen Simon, der ihm das Kreuz mal für eine Weile abnimmt, auch die weißen Statuenträger freuen sich über eine Abwechslung, Jesus trinkt mit seinem Wächter gemütlich Kaffee, Jonas trägt seinen Wahl nur noch an der Schwanzflosse und der kleine Isaac spielt mit den römischen Sklavinnen Fangen. Kurz: die Römer, das jüdische Volk, die biblischen Gestalten, alle werden wieder zu normalen Menschen.

Diese Prozession wirkt ein bisschen mehr wie eine Show als ein religiöses Ereignis.

Eindruck macht sie aber schon – die Cuqlajta rattert nebenher, der Band Club vor Ort spielt mal triumphale, mal tragische Blasmusik und die Trommeln der römischen Soldaten vervollständigen das musikalische Feuerwerk.

Am Ende ist es schon dunkel und vor allem wieder ziemlich kühl – einige der Prozessionsteilnehmer laufen mit Füßen und viele sind nur leicht bekleidet, auch diese tun mir schrecklich leid.

Ostern in der Kathedrale

Leider habe ich auf meine geliebte Sonntagsvigil in aller Herrgottsfrühe verzichten müssen, Ostern wird hier nur am Samstag Abend gefeiert. Ich war in Valletta‘s Kathedrale und es war eine sehr schöne maltesische Ostermesse. Eine Ecke weiter gab es die zwar auch in Englisch, aber ich bin froh, dass ich mich für die maltesische Variante entschieden habe. Mit einem sehr schön gestalteten Beiheft (das es jeden Sonntag gibt) und meinen Arabischkentnissen konnte ich gut folgen. Und vor allem ist mir wieder aufgefallen, dass die Kirchen Maltas alle (nicht nur die großen) einen ziemlich hochkarätigen Chor haben und diesen auch sehr gerne einsetzen. Ostermesse war also mit zwei Taufen (ein Baby Nora und ein Erwachsener René) ein voller Erfolg, obwohl ungewohnt, danach nicht mit der gerade aufgegangen Sonne zu frühstücken und mit Freunden, Familie oder wenigstens bekannten Gesichtern zu plaudern.

Osterprozession

Am Sonntagmorgen geht der Malteser aber wieder woanders hin, nämlich in eine der Three Cities, am besten nach Cospicua, denn dort wird bei der Osterprozession die Statue des Auferstandenen rennend durch die Straßen getragen. Leider habe ich das nicht gesehen, denn um 8 Uhr bei der Messe in Cospicua einen Platz zu bekommen, muss ich halb 7 das Haus verlassen und ehrlich gesagt – die Karfreitagsprozession hat meinen Prozessionshunger für eine Woche gestillt (obwohl es Mittwoch schon wieder zu San Girgor die Möglichkeit gäbe). Dass aber die maltesische Bevölkerung tatsächlich immer dort ist, wo die meiste Aktion abgeht, habe ich gesehen, dass Valletta‘s Kathedrale nur noch zu einem Viertel gefüllt war…. alle anderen sind bei Prozessionen und Figolli – das ist das Ostergebäck, in verschiedenen Formen mit Marzipan gefüllt und mit Mandeln bestückt – könnten auch Plätzchen sein….. wo wir wieder bei Weihnachten wären.

Fazit: Altarbesuche, Cuqlajta, Salzbilder…. Malta hat immer noch etwas Neues in petto.

Maltesisch: Licht = dawl; Ostern = L-Għid l-Kbir; Taufe = Magħmudija; heilig = qaddis; Nacht = Lejl

Wetter: Früüühling! Aber immer noch sehr kühle Nächte.

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