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Dreigroschenoper

  • von

Theater in drei Akten und 21 Liedern im Volkstheater

Handlung

Sie werden jetzt eine Oper für Bettler hören. Und weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen –
und weil sie doch so billig sein solte,
daß nur Bettler sie bezahlen können,
heißt sie die Dreigroschenoper.

Brecht ist wie immer harter Stoff, aber die Fäden der Handlung kann man am einfachsten entwirren, wenn man sich erst einmal die wichtigsten Personen vor Augen führt:

  • der Verbrecher Macheath (Mackie Messer)
  • sein Konkurrent J.J. Peachum, Chef der Londoner Bettelmafia
  • dessen Tochter Polly, Macheath Verlobte
  • “Tiger” Brown, Londoner Polizeichef und Freund von Macheath
  • dessen Tochter Lucy, frühere Geliebte von Macheath
  • die Prostituierte (Spelunken-)Jenny,  frühere Geliebte von Macheath

Die ganze Handlung spielt im niederen sozialen Milieu Londons, dementsprechend sind die restlichen Personen Bettler, Gauner und Prostituierte. Peachum ist der Kopf einer organisierten Bettlerbande, seine Tochter Polly heiratet seinen Konkurrenten, den Verbrecher Macheath in einem Pferdestall. Daraufhin beschließt Peachum, Macheath verhaften zu lassen. Polly warnt Macheath und rät ihm zu fliehen, was dieser tut, und zwar in ein Hurenhaus zu seiner Ex-Geliebten Jenny. Diese verrät Macheath, er wird verhaftet.

Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht.
Wir wären gut – anstatt so roh
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Im Gefängnis kommt Lucy, ebenfalls eine Ex-Geliebte und Tochter des Polizeichefs, zu Besuch und liefert sich dort eine heftige Eifersuchtsszene mit Polly. Dennoch verhilft Lucy Mecheath zur Flucht. Die Rettung ist allerdings nur von kurzer Dauer, er flüchtet zu einer andere Ex-Geliebten, wird erneut verraten, verhaftet und zum Tode verurteilt. Unter dem Galgen leistet Macheath jedermann Abbitte. Und jetzt kommt das brecht’sche Finale – kurz vor der Hinrichtung kommt ein königlicher Bote und verkündet, dass Macheath begnadigt und sogar in den Adelsstand erhoben wird. Mit diesem….. unerwarteten Schluss und einem klugen Finalsong wird der Zuschauer und -hörer seinen eigenen Gedanken überlassen.

Denn die einen sind im Dunkeln,
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte,
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Die Handlung fußt auf historische Ereignisse – im London des 18. Jahrhunderts gab es eine Verbrecherbande mit guten Beziehungen zur Polizei, deren Anführer  hingerichtet wurde. Diese Figur war die Vorlage für das englische Stück “Beggar’s Opera” von John Gay, welches dann von Bertolt Brecht bearbeitet und Ende der Weimarer Republik als Dreigroschenoper bekannt und erfolgreich gefeiert wurde.

Schon der Name deutet darauf hin, dass man die Musik nicht außer Acht lassen kann. Von Kurt Weill vertont, erinnern die Lieder an Jahrmarktsmusik, Jazz und Salonmusik. Einzelne Teile spielen auf Opernmusik an, was die Parodie auf das Genre ergänzt.

Kritik

Zum Stück selbst  – Die Handlung der Dreigroschenoper liest sich zwar leicht banal, der Text hat es aber durchaus in sich und ist teuflisch klug. Auch wenn mir Brechts ewig zynischer Pessimismus und Wahn zur harten Gesellschaftskritik nie wirklich gefällt, ist die Dreigroschenoper ein Topf voller Weisheit. Wenn man sich die übliche Negativität nicht allzu sehr zu Herzen nimmt, kann man sogar viel lachen. Etwas lernen? Lieber nicht.

Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich
Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt.
Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich
Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist.

Die Inszenierung von Michael Schottenberg hatte wirklich sehr viel sehr Gutes und die Tatsache, dass ich, bei der Bertolt Brecht selten einen Treffer landet, begeistert bin und die Aufführung im Volkstheater als erinnerungswürdig in meinem Hinterkopf speichere, spricht zusätzlich dafür. Bei der Dreigroschenoper, bei der es schwer fällt, das richtige Genre zu finden, könnte der Direktor schnell verführt sein, die Lieder spielerisch in das Stück einzubauen und damit ein empfängliches Musiktheater daraus zu machen. Das genau das nicht passiert ist und jedes Lied frontal dem Publikum an die Stirn geschmettert wurde (die Ansage des Titels vor jedem Lied komplettiert diesen Stil), bewahrt ein hohes Niveau und verdeutlicht, dass die Songs nicht Begleitwerk sind, sondern die zentralen Aussagen enthalten und der Hauptgrund für den Erfolg des Stücks.

Kommentare zum Bühnenbild kann man getrost beiseite lassen, darauf lag wirklich kein Schwerpunkt und der war dort auch gar nicht nötig. Denn der Schwerpunkt lag definitiv bei den Darstellern, die den Abend hervorragend gestaltet haben. Die beste Besetzung war für mich Katharina Straßer als Polly, eher Schauspielerin als Sängerin, aber sehr natürlich. Die Figur der Polly lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu, die ihre einer naiven, spritzigen und sympathischen jungen Frau war absolut überzeugend. Dass, was sie gesanglich nicht ganz so drauf hatte (obwohl das charmant und nicht unfähig wirkte), hat die Darstellerin der Jenny – Maria Bill – mehr als wett gemacht. Zu meinen Lieblingsliedern der Dreigroschenoper gehört “ihr” Lied “Salomon-Song” und Maria Bill hat damit mein Herz erobert. Ihre Rolle lässt keine glockenhelle, süße Stimme zu und ein Lied wie dieses etwas verrucht, abgebrannt, verbraucht klingen und trotzdem wirken zu lassen, ist eine wahre Meisterleistung.

Ihr saht den weisen Salomo
Ihr wisst, was aus ihm wurd.
Dem Mann war alles sonnenklar.
Er verfluchte die Stunde seiner Geburt
Und sah, daß alles eitel war.
Wie groß und weis war Salomo!
Und seht, da war es noch nicht Nacht
Da sah die Weit die Folgen schon.
Die Weisheit hatte ihn so weit gebracht;
Beneidenswert, wer frei davon!

Zur Besetzung des Macheath bin ich unsicher. Einerseits ebenfalls glaubwürdig gespielt und Marcello de Nardo geht in dieser Rolle auf, andererseits frage ich mich, ob diese Interpretation in Brechts Sinne ist. Denn dieser Macheath ist ein schriller Punk durch und durch mit wasserstoffblondem Haar und roter Lederhose, aber ohne jeglichen verführerischen Charme. Er ist ein Spieler mit den Frauen, warum liegen sie ihm zu Füßen? Diese kleine Unstimmigkeit in der Figur kann aber der großartigen schauspielerischen Leistung des gesamten Ensembles so gut wie nichts anhaben.

Das Detail, das in keiner Kritik dieser Inszenierung fehlt, will ich gar nicht weiter ausschlachten, sondern lediglich erwähnen: Komplette, unverfälschte, schamlose Nacktheit bei den Prostituierten im Hurenhaus auf der seriösen Bühne des Volkstheaters. Meiner Meinung nach war das gar nicht nötig, die Leute mit dieser Provokation anzulocken und meiner ganz ganz persönlichen Meinung nach möchte ich gerne die Wahl haben, wen ich nackt sehe (deswegen bin ich auch kein Fan von FKK-Stränden), aber als Skandal würde ich die Aktion nicht bezeichnen. Provokante Idee, bei mir nicht so gut angekommen, aber auch das kann meiner Begeisterung nichts anhaben.

Letztendlich ist der Schluss hirnverbrannt und unsinnig; wie aus dem Nichts kommt der königliche Bote und alles wendet sich – bumm – zum Guten für den am Galgen stehenden Macheath. Seine Verabschiedung findet aus einem Hubschrauber heraus statt… was soll man dazu sagen? Ein Ausflug in den Surrealismus? Dieser Schluss ist wirklich nicht ernst zu nehmen – aber genau deswegen irgendwie wieder gut. So kann man am Ende lächeln und das ist prinzipiell zu befürworten, vor allem nach so viel Brecht.

Randnotiz

Die Premiere 1928 stand in den letzten Tagen davor unter keinem guten Stern:

Regisseur und Autor stritten sich wegen der Lieder, kurz stand sogar der Vorschlag zur Debatte, die Songs komplett zu streichen. Der Darsteller des Peachum stieg aus und musste kurzfristig ersetzt werden, auch der Regisseur verschwand kurzerhand, sodass Brecht selbst die Regie übernehmen musste. Der Darsteller des Macheath war mit der Einführung seiner Figur, immerhin die Hauptperson, nicht ganz zufrieden und so wurde über Nacht noch ein zusätzliches Anfangslied geschrieben – die “Morität des Mackie Messer”, das beliebteste Lied der Dreigroschenoper und ein Welthit.

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht

Photo © APA/Hans Klaus Techt

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