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Der eingebildete Kranke

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Komödie von Molière im Burgtheater.

Handlung

Argan ist ein Hypochonder wie aus dem Bilderbuch. Er bildet sich ständig Krankheiten ein und zieht seinen Arzt zu Rate, der ihm auch mit Freude alles mögliche diagnostiziert und verschreibt. Argans Tochter Angelique soll demzufolge auch einen jungen Arzt heiraten (Thomas) – sie selbst ist aber in Cléante verliebt. Dann gibt es noch Toinette, das Dienstmädchen, die Angelique in ihrer vom Vater ungewollten Liebe unterstützt und die auch versucht, Argan seine Hypochondrie zu auszureden. Argans Frau unterstützt ihren Mann, aber als Toinette ihn überredet, sich tot zu stellen, um die Zuneigung seiner Angehörigen zu testen, muss er erkennen, dass sie ihn gar nicht liebt. Die tiefe Zuneigung seiner Tochter allerdings lässt ihn in die Heirat mit Cléante einwilligen, sofern dieser sich zum Arzt ausbilden lasse. Cléante ist einverstanden, doch am Ende entscheidet sich Argan auf den Rat Toinettes hin, selbst Arzt zu werden.

Kritik

Molières klassische Komödie ist im Burgtheater total verrückt. Herbert Fritsch hat Regie geführt und sich für die totale Übertreibung entschieden. Die Frage ist: Wollt ihr die totale Übertreibung? Ich weiß nicht, wenn mich jemand vorgewarnt hätte, wäre ich vermutlich nicht hingegangen. Aber im Nachhinein kann ich nicht anders, als mich innerlich vor der großartigen Leistung auf der Bühne zu verbeugen. Die Texte wurden in einem rasanten Tempo vorgetragen und Fortbewegung ging nur dramatisch vonstatten – ob tänzelnd, springend oder herumzappelnd, niemanden sah man auch nur für ein paar Schritte ganz normal gehen. Die Kostüme waren ebenfalls ganz nach dem Motto “Mehr ist mehr” ausgewählt. Bunt, viel, groß und schrill. Eine Mischung aus Renaissance und Pop Art. Am Schärfsten war der Apotheker, der nur einen recht kurzen Auftritt hatte: Er leierte seinen Text kaum verständlich im monotonen Singsang herunter und trug dabei ein riesiges, weites, mit Federn oder Fell besetztes weites Kostüm, welches ihn wie eine Glocke umhüllte. Oben schaute nur der Kopf heraus, unten nicht einmal die Beine. Thomas, der junge Arzt und seine Vater hatten ca. 10 cm lange Fingernägel, die meistens ziemlich eklig durch die Luft sirrten. Auch sonst war alles auf Übertreibung ausgerichtet, genauso wenig wie normal gegangen, wurde auch nicht normal gesprochen. Jeder hatte irgendeine sprachliche Besonderheit. Angelique, die Tochter, hat gequäkt, als ob sie bei jedem Wort einen Orgasmus hätte, Thomas sprach wie ein ganz gemeiner und ekelhafter 4-jähriger und das Beste kommt zum Schluss: Die Frau Argans und Mutter Angeliques hat Worte und Sätze mit einer völlig falschen Betonung versehen, bis man sich vor Lachen krümmte. Versucht einmal, in dem Satz “Nun gut, ich glaube dir, mein Engel” -be und -gel zu betonen! – Es ist zum Schreien. Dorothee Hartinger, die diese Aufgabe hatte, in einer stark erhöhten Stimmlage und verdoppeltem Tempo auch noch die übliche Betonung zu verdrehen, hat das super gemeistert. Im Endeffekt waren eigentlich alle Figuren so ausgeflippt, dass man im Laufe des Stücks den eigentlichen Helden der Verrücktheit, nämlich den Hypochonder Argan selbst, eigentlich als den Normalsten angesehen hat. Ja, die anfängliche Genervtheit beim Zuschauer hat sich sogar in Mitleid und ein klein wenig Zuneigung verwandelt. Joachim Meyerhoff als Argan war im Prinzip auch am leichtesten zu verstehen. Hervorhebenswert ist auch Markus Meyer, der (!) das Dienstmädchen Toinette bravurös gespielt hat. Man kann schon sagen, er hat sich die Seele aus dem Leib gespielt. Fast ständige Bühnenpräsenz, kaum Stillstand, immer am Tänzeln und Springen, unnatürliche Stimmlage, einfach ganz viel Arbeit. Bravo!

Zum Bühnenbild – naja, Röntgenbilder als Hintergrund vs. grellbunte Farben. Ansonsten kaum Requisiten oder sonst eine Veränderung der Bühne. Ein Cembalo wurde immer mal eingespielt, meist rasant-nervtötend.

Ein großer Anteil an Absurditäten erzeugten ein paar Fragezeichen im Kopf – manche Szenen oder auch Slapstick-Einlagen kamen ganz unvermittelt völlig ohne Sinn und Inhalt daher. Irgendwie lustig, aber ich weiß nicht, warum.

Also, der eingebildete Kranke war Übertreibung pur. Superanstrengend, für die Darsteller wohl am meisten, aber auch für die Zuschauer. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr würde ich eigentlich sagen, dass es sich gelohnt hat. Total verrückt halt. Macht Spaß! Auf eine etwas anstrengende Art und Weise…

Randnotiz

Molières Stück komödisiert den Vorgang Krankheit-Sterben-Tod (passt damit hervorragend zu Wien). Ironischerweise ist Molière selbst, der die Titelrolle spielte, bereits bei der vierten Vorstellung – im Kostüm noch – gestorben.