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Calvacade or Being a Holy Motor

  • von

Modernes Stück von René Pollesch.

Handlung

Eigentlich gibt es keine Handlung. Es passiert schon einiges – ein Düsenjet wird gelandet und gestartet, drei Menschen springen zwischen bunten Plastikbällen (wie beim Ikea-Kinderland) umher, es wird geredet und geredet und geredet (hauptsächlich), auch ein bisschen gesungen und am Ende sitzen die zwei, die irgendwie eine schwierige Beziehung haben (oder beendet haben?) auf dem Düsenjet mit Affenmasken vor dem Hintergrund einer New Yorker Rush Hour-Szenerie.

Das war doch kein Zufall, dass wir ineinander gerannt sind – das war ein Unfall!

Himmel, ich kann das wirklich nicht in einen Zusammenhang bringen, für mich gab es keinen roten Faden oder ähnliches. Die Hauptfiguren sind David (Martin Wuttke) und Silvia (Birgit Minichmayr), die irgendwie mal was miteinander hatten und die die ganze Zeit herumphilosophieren, sich ankeifen oder Vergangenes ausdiskutieren. Dann gibt es noch einen Dritten (Ignaz Kirchner), der ab und zu auch mal etwas sagt, aber größtenteils herumsteht und zuhört.

Soviel zur “Handlung”.

Kritik

Es ist nicht schwer zu erraten, warum ich mich entschieden habe, mir dieses Stück anzusehen. Ignaz Kirchner und Martin Wuttke gehören schon zu den bekanntesten Theaterschauspielern und Birgit Minichmayr ist nicht nur eine absolute Größe am Burgtheater, sondern auch eine meiner Lieblingsschauspielerinnen und auch -sängerinnen, sie hat mich im Struwwelpeter mit ca. 16 Songs umgehauen.

Nun waren meine Erwartungen also nicht gerade gering, gerade Birgit Minichmayr!! Aber nein, drei exzellente Schauspieler reichen nicht aus. Es fehlte eine ganze Menge – zum Beispiel zusammenhängender Sinn, irgendeine (für den Normalbürger verständliche) Botschaft, Moral, Handlung oder einfach irgend etwas, woran man das Stück an die Pinnwand heften könnte. Es war ein klassisches Beispiel von “wir machen es so verrückt und absurd, dass es als exzentrisch gilt und über jede Kritik erhaben ist” – gegen dieses Konzept habe ich absolut was! Verrückt und durchgedreht gerne, aber da muss noch mehr dahinterstecken.

Da will dir einer sagen, wer du wirklich bist und hat das Innenleben einer nordkoreanischen Presseerklärung.

Das Ganze war Blabla gemischt mit phrasenschweinverdächtigen Denkansätzen zum Thema Psychoanalyse, Theater, Schein und Wirklichkeit, Beziehungen… – ich habe nicht viel erkannt, wohl aber, dass immer wieder irgend etwas anderes zitiert wurde, Freud war oft dabei. Dazwischen Britney Spears und endlose Kostümwechsel (ok, Birgit Minichmayr sieht in schrillen Kostümen top aus, aber einfach nur deswegen?), wohingegen Ignaz Kirchner gerne etwas anderes hätte anziehen können. Warum musste er die ganze Zeit diesen knallroten Anzug tragen? Und durfte quasi nichts zum Stück beitragen. Ehrlich, seine Rolle ist absolut nutzlos gewesen, er stand 70% der Zeit da und nickte dezent mit den Händen in den Hosentaschen. Extrem überflüssig.

Zu den anderen beiden: Tolle Schauspieler, ohne Frage. Aber dieses bescheuerte, sinnfreie Stück hat es tatsächlich geschafft, dass Birgit Minichmayrs Markenzeichen – ihre rauchige, sich oft überschlagende Rotzgören-Stimme – mir einfach auf die Nerven ging. Die war nicht klug eingesetzt, sondern machte aus dem ohnehin kaum nachvollziehbaren Blabla ein unerträgliches Geschwür der viel zu anstrengenden Dialoge und Monologe.

Das Schlüsselwort des Abends war “toxische Terrortypen”, bei der zwanzigsten Erwähnung habe ich mit Zählen aufgehört. Das Wort “toxisch” hat René Pollesch wohl bei Britney Spears so gefallen, dass er es als Leitwort übernommen hat. Und es passt, der ganze Abend, die Personen, die Dialoge sind toxischer Terror.

Wenn man die Ohrenschmerzen ausschaltet, kann man aber feststellen, dass auch den Augen einiges geboten wird. Glitzer, Farben, Effekte – alles im Übermaß dabei. Aber mich kann dieses Spektakel nicht so richtig begeistern, weil es die ohnehin schon ätzende, nervtötende Grundstimmung des Stückes unterstützt hat. Es war die totale Reizüberflutung. Ein monotones und schlichtes Bühnenbild wäre vll. weniger anstrengend gewesen.

Auch der Titel Calvacade or Being a Holy Motor ist Programm: Klingt nach was Tollem, bedeutet aber nix. Beim Rest ist es genauso: Sieht irgendwie cool aus, aber es ist nichts dahinter. Ernsthaft, wenn ich mir vorstelle, wie René Pollesch dieses Stück schreibt und was er sich dabei denkt, sind auf jeden Fall Drogen mit in diesem Bild enthalten. Ich habe wirklich selten ein Stück gesehen, wo ich so wenig (also eher gar keine) Ahnung hatte, worum es eigentlich geht.

Ging es darum, mich (nur) eine gute Stunde mit pseudoklugem Geschwätz und Lichteffekten zudröhnen zu lassen? Na dann danke, Ziel erreicht. Mehr kann ich definitiv nicht mitnehmen. Interessanterweise war ich da wohl fast die Einzige – es gab heftigen Applaus vom Publikum! Entweder habe ich es wirklich nur nicht verstanden (dann bitte ich um Aufklärung!) oder die Mehrheit lässt sich nur gar zu gern blenden von viel, viel und viel….

Es kann doch nicht sein, dass das leichteste in diesem Albtraum zu küssen dein Gesicht ist!

Randnotiz

Kurz vor Start von Calvacade am Burgtheater haben Martin Wittke und Birgit Minichmayr in Berlin etwas ganz ähnliches auch von René Pollesch gespielt. Glanz und Elend der Kurtisanen habe ich zwar nicht gesehen, aber es klingt wie ein Zwillingsbruder: Auftritt mit einem spektakulären Fluggerät, viel intelligentes Gerede, fehlender roter Faden, aufwendige Effekte und den gleichen Lamettavorhang gab es in Wien auch.

Photo © Georg Hochmuth

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