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Bittersüß

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Dieser Bericht startet da, wo der letzte aufgehört hat – beim Essen. Und zwar mit einem Sonntagsbrunch ganz im Sinne der maltesischen Kulinarik.Ganz links ist der kleine Ġbejna-Käse, von dem ich bereits geschrieben habe. Die zwei Eierkuchen auf dem Teller sind zwar nicht typisch maltesisch, dafür aber deren Füllung. Zum Einen der Sirup von den Früchten des Johannisbrotbaumes, den man hier neben Oliven- Zitronen- und Orangenbäumen am Häufigsten findet. Dann – umwerfend schmackhaft – Orangenmarmelade. Aber nicht einfach nur aus Orangen, sondern aus maltesischen Bitterorangen. Das Zeug ist in der Tat sehr bitter, sodass man es wirklich nur hauchdünn streichen kann. Diese Orangen schmecken auch in „Kinnie“ – das maltesische Pendant zu Coca Cola, so eine Art Kräuterlimonade, herrlich bitter und gerade süß genug, dass man es trinken kann. Ein bisschen wie bitterer Almdudler. Es gibt auch maltesisches Bier, womit die „Nationalgetränke“ Maltas komplett wären, allerdings bin ich kein Bier-Fan, sodass es hier fehlt. Das linke Brot ist ganz frisch aus der Sonntagsbäckerei meines Vertrauens. Maltas Brot wird hoch gelobt, es hört sich beim Brechen genauso schmackhaft an wie es duftet, aber schmeckt eigen. Sauerteigig. Daneben Fitra, ein ungesäuertes Brot, was man meistens aufwendig belegt als Snack verzehrt. Auf dem Teller noch ein geliebtes Ricotta-Pastizz, von denen ich mittlerweile schon etliche gegessen haben muss. Zwischen den maltesischen Köstlichkeiten fehlen auf jeden Fall Kapern und Fisch, aber da ich beides nicht mag, muss man sie sich dazu denken. Die Milch steht da, weil sie ein wunderbares Beispiel für den Mischmasch der maltesischen Sprache ist. Halib ist arabisch, frisk kommt eindeutig aus dem Italienischen und der Großteil der Verpackung ist Englisch. Kitkat? Irgendwie ist Kitkat hier überall präsent. Finanziert Kitkat hier irgendwas? Aber der Slogan „Have a Kitkat. Have a break.“ passt auch irgendwie. Leider konnte ich keine Blüte der maltesischen Nationalpflanze auftreiben, die zu den bedrohten Arten zählt, weil sie ausschließlich auf Malta zu finden ist. Cheirolophus crassifolius, muss man nicht kennen.

Malta Marathon

Heute fand der Malta Marathon statt, meines Wissens gar nicht mal unbekannt unter Marathon-Läufern. Die Strecke ist wirklich nett, wenn man sie nicht rennen muss. Es geht in Mdina los mit einen Schlenker um Rabat und einem großen Umweg über Mosta nach Valletta und dort schön an der Küste Marsamxett Hafens bis zum Ziel in Sliema. 42,2 km! Aber Malta unterstützt seine über 3.000 internationale Läufer sehr gut, u.a. mit kleinen Blaskapellen und auch größeren Bands, die am Wegesrand für Unterhaltung sorgen und zum Beispiel Maltas Nationalhymne spielen. Die hab ich mittlerweile beinahe schon öfter gehört als die Deutsche in meinem ganzen Leben.

Birkirkara

Für die großen Exkursionen, die ich letzte Woche in Aussicht gestellt habe, war die Zeit noch nicht reif, ich habe mich aber zumindest an Mdina und Rabat ein wenig herangetastet und Birkirkara inklusive Umgebung erkundet.

Birkirkara, auch B‘kara genannt, ist der größte Ort mit den meisten Einwohnern in Malta. Trotzdem ziemlich verlassene Atmosphäre, kaum Geschäfte offen (Kirchen sowieso nicht) und wenig Leute unterwegs. Aber größer ist der Ort tatsächlich, die Hauptstraße kann man wirklich als solche bezeichnen und ist auch mal länger als 1km. Interessant ist die Gegend hauptsächlich deswegen, weil man überall Überreste des Wignacourt-Aquädukts entdeckt. Wignacourt ist ein Großmeister des Malteserordens, der Anfang des 17. Jh. diese nicht gerade unauffällige Wasserleitung von Attard nach Valletta bauen ließ. Sie ist zwar nur eine unter mehreren, aber streckenweise wirklich sehr gut erhalten und ziemlich hoch. Ich bin auf ein Teil hinaufgeklettert und ein Stück in ansteigender Richtung gelaufen – das Ding ist viel höher als es aussieht!
 Jedenfalls schmücken diese Abschnitte des Äquadukts die Straße von Santa Venera nach Birkirkara und noch weit darüber hinaus. Santa Venera liegt vor Birkirkara und besteht quasi nur aus dieser einen Straße, an der aber ziemlich prachtvolle Gebäude stehen, wie z.B. „Casa Leoni“ mit Löwenstatuen am Eingang und einem entzückenden öffentlichen Garten dahinter voller kleiner Brunnen, Orangenbäumen und Blumen, die sicherlich bald ihre Blüten öffnen werden. Ob es die heilige Venera, nach der dieser Ort benannt ist tatsächlich einmal gab, ist ungewiss. Aber zurück zu Birkirkara. Zwei Sehenswürdigkeiten dieser Stadt sind eigentlich die alte Eisenbahnstation aus dem 19. Jh., wo aber wieder mal gebaut wird und die große, stark gerühmte Barockkirche St. Helena. Natürlich geschlossen. Dennoch ist der Besuch von B‘kara nicht umsonst, denn abseits der Hauptstraße winden sich romantische kleine Gassen um die hübschen Häuser. Wie auch in vielen anderen Ortschaften sind die Häuser entweder wirklich schön oder so verfallen, dass sie einen ganz besonderen Charme versprühen. In vielen touristischen Hauptstädten gibt es Plakate zu kaufen mit Bildern von Türen der Stadt: Doors of Jerusalem, Ireland, Florence, Bristol etc., in Malta wäre das wirklich lohnenswert!

Dekoration

Hübsche Türen mit verschiedenen Türklopfern (das traditionelle Design soll angeblich ein Delfin sein, aber ich finde, es sieht mehr nach einer Muräne aus), kleinen verzierten Heiligenbildchen, Laternchen, Säulen-Vorbauten, Balkons überall und nicht zu vergessen – Statuen im Vorgarten sind ein absolutes Muss! Madonnen, aber auch halbnackte Frauengestalten, Engel, griechische Götterfiguren oder Tiere sind überall zu sehen. Egal, in welchem Zustand das Haus ist, ob Villa (und ich habe schon sehr viele wunderschöne Villen gesehen) oder Bruchbude, eine oder mehrere Statuen im Vorgarten gehören zum guten Ton.

Ebenso wichtig: kleine kitschige Figuren in die Fenster stellen! Dem Kitsch ist da keine Grenze gesetzt. Dann noch dem Haus einen möglichst ausgefallenen Namen verpassen und schon ist es maltesisch.

Übrigens ist die Pulizija zwar dezent, aber dennoch überall aufgestellt, selbst im kleinsten Minidorf stehen diese Polizei-Häuschen, hin und wieder sitzt auch tatsächlich jemand darin. „Domine dirige nos“ steht auf den Polizeiwagen – ja, Malta ist wirklich ein Land mit katholischer Staatsreligion!

Küstenort Marsaskala

Sehr schön war auch mein Ausflug nach Marsaskala, wieder an der Ostküste Maltas. Auch eine kleine Stadt, die sich um ihre Bucht räkelt, die wie ein Zahn aus der offenen See sprießt. Hauptsächlich lohnt sich ein Spaziergang die Küste entlang, vom Żonqor Point im Norden bis zum südlichen Gegenüber. Dort läuft man auch an „Salzpfannen“ vorbei, an denen sich die Wellen brechen. Das ist wirklich ein einzigartiger Platz. Ich weiß nicht, ob diese kleinen, flachen Einbuchtungen tatsächlich noch für die Salzgewinnung genutzt werden, beeindruckend ist es auf jeden Fall, wie darin das Wasser ruhig steht und am Rand das Meer tobt und die Wellen hin und wieder die ganze Anlage überschwemmen. Obwohl die Bilder ganz gut geworden sind, können sie nicht im Mindesten ausdrücken, wie großartig dieses Schauspiel ist Ich habe dort mind. 2 Std. verbracht, bin die Steine entlanggeklettert und durch die Salzbecken gewatet, habe gepicknickt und endlos Wellen photographiert. Dieser schmale Küstenstreifen ist definitiv bis jetzt „Top Place“ in Malta für mich! Wenn man dort steht, spürt man unwillkürlich die Frage nach dem Platz des Menschen – ist er das Meer, dessen Wellen aufbrausend den Stein umspülen oder ist er der Stein, der in Gegensatz und Harmonie mit dem Meer in aller Ruhe sein Dasein fristet oder ist er das Wasser in den Becken, friedlich und ruhig, solange bis eine Welle es aufwühlt? Wahrscheinlich aber nur eine verschwindend kleine Muschel, die sich mal von einer Welle anspülen lässt, mal in einer Nische des Gesteins ruht und auf die nächste Welle wartet, sich aber von alleine gar nicht fortbewegen kann, sondern nur hoffen muss, dass niemand auf sie tritt. Jetzt aber genug philosophiert, Muscheln bzw. Schneckenhäuser habe ich auch schon jede Menge gesammelt.

Kapellen

Im Hinterland der Bucht kann man wieder ganz wunderbar durch idyllische Landschaft wandern, die einem leicht zweifeln lässt, ob man nicht doch in der größten Pampa am Ende der Welt ist. Ich bin auch an einer kleinen Kapellenwand vorbeigekommen (ja, es ist nur die Wand, ein paar Meter entfernt steht aber auch noch eine vollständige Kapelle), an der drei Steinkreuze, das Mittlere mit Passionswerkzeugen behängt, eine Legende erzählen – dort wurde angeblich ein Eremit dreimal begraben, weil er zweimal gleich wieder von den Toten auferstanden ist.
Kleine Kapellen, die man abseits der „größeren“ Orte am Wegrand findet, haben oft eine Tafel an der Außenwand: „Non gode l‘immunita ecclesias“ In früheren Zeiten konnten verfolgte Verbrecher in Kirchen Schutz erfahren und wenn sie ein Jahr innerhalb der Kirche blieben, konnten sie als freie Menschen gehen. Diese Inschrift schließt die Kirche oder Kapelle davon aus. Cool!

Übrigens denke ich, dass die Tatsache, dass mir ständig alles geschlossen und leer vorkommt, sich mit dem Frühling und Sommer dann bald ändern wird. Auch glaube ich, dass ich einfach nur meistens zur falschen Zeit unterwegs bin – die Mittags-Siesta ist hier sehr lang.

„Die Dame ruht. Liegt da auf ihrem funkelnden, gekräuselten Bett, unter einem fleckenlos glatten Laken; beides gefärbt in tiefem Blau. Ihre grün glänzenden Augen schauen in die Ferne, nicht geschlossen, aber auch nicht wirklich offen, eher verträumt, träge, vielleicht ein bisschen melancholisch. Eine kräftige Böe streicht über ihre karamellfarbene Haut, doch sie rührt sich kaum.“

Zitat aus einem alten Bericht im Spiegel, zwar geht es hauptsächlich um Valletta, aber könnte ganz Malta beschreiben. Aber weiter im Bericht geht es darum, dass die Grand Dame erwacht – und das tut sie gemächlich! Es wird Frühling!

Maltesisch: Marsa = Bucht; Ghajn = Auge/Quelle (das kommt in vielen geographischen Bezeichnungen vor); Wied = Tal; Port = Hafen; Denfil = Delfin

Wetter: An der Küste ganz typisch – sehr windig, starker Wellengang. Aber es wird wirklich warm. Bei Windstille sogar schon T-Shirt-warm. Ich bekomme eine Ahnung, dass es gar nicht mehr lange bis zum heißen Sommer ist.

Fazit: Lieblingsplatz an Marsaskalas Küste entdeckt und es wird Frühling. Ich glaube, die Jahreszeit hat einen großen Einfluss auf alles hier.

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